Adventskalender 2023 T-21: Neurobiest von Aiki Mira (by Horst)
von Horst Illmeram 3. Dezember 2023
Wie schon den gestrigen Beitrag möchte ich euch auch diesen nicht nicht vorenthalten. An dieser Stelle ziehe ich auch gleich vorauseilend meinen Hut vor Horst. Die heutige Doppelung meines Beitrags vom 18. Oktober ist wieder einmal sensationell. Als Titel sowieso, aber auch als Rezension.
Der Roman hat es mehr als verdient auch an dieser Stelle im Adventskalender erneut aufzutauchen. Dass Horsts Rezi dabei eine ganz eigene Qualität in sich birgt, erhöht den Wert noch zusätzlich. Im Grunde ist es einfach auf den Punkt zu bringen. Wir schwärmen beide, wenn auch in unterschiedlichen Worten. Lest heute die Adventsschwärmerei von Horst:
Aiki Mira
NEUROBIEST.
Bremen, Eridanus, 2023, 335 S.
ISBN 9783-3946348-39-9
Kartoniert / 16,00 Euro
Der von Charles Darwin ins Menschheitsbewußtsein eingeprägte Begriff der Evolution erweist sich als immer noch nicht ausgeschöpfte Quelle vielgestaltiger Möglichkeiten der Naturerkenntnis und greift inzwischen über das Materielle hinaus auch ins Imaginäre.
Mit welch anderem Beiwort sonst wäre Aiki Miras scheinbar unerschöpflich fließendes Schreiben zu erklären, in dem die Geschichten so unterschiedlich sind wie nur möglich sind und die Bücher wie Zellbausteine aufeinander aufbauen, dabei einander variiren, und sich stetig weiter entwickeln.
Nachzulesen und zu überprüfen ist diese These jetzt in NEUROBIEST, Miras im Herbst 2023 erschienenen Science-Fiction-Roman. Von Aiki Mira selbst als „Biopunk“ bezeichnet, nimmt die Geschichte Fäden und Anspielungen, Begriffe und Stimmungen aus dem schon sehr überzeugend geschriebenen Vorläuferbuch NEONGRAU auf und springt vom halb versunkenen, verdüsterten Hamburg in ein wild wucherndes und strahlendes Berlin.
Dieses zukünftige Aiki-Mira-Berlin hat sich offenbar zu einer Hauptstadt der Biologieforschung und der Erzeugung biosynthetischen Lebens entwickelt – und das nicht nur auf rechtlich unangreifbare Weise, sondern offensichtlich auch mittels mehr oder weniger illegaler Menschenversuche. Einmal in der Welt, sucht und findet auch dieses Leben seinen Weg.
Die in zwei Erzählstränge aufgeteilte Geschichte von Aruke und Riva, von Prima und Tanun, von Crispin, Kenoah, Olivia, Cem und einem halben Dutzend weiterer bemerkenswert liebenswürdiger und lebendiger Protagonisten spielt abwechselnd im Berlin des Jahres 2100 und in einem Biolabor im Amazonasgebiet zehn Jahre früher. Die Geschehnisse und ihre Folgen beschreibt Mira in einer Stil-Mischung aus absolut gegenwärtiger Sprache und einem tiefen Verständnis für klassische Science-Fiction-Elemente. Denn auch wenn in NEUROBIEST alles topaktuell auf dem Stand derzeitiger Spitzenforschung ist, so klingen als Hintergrundmelodien immer wieder Variationen an, die auf A. E. van Vogts Mutanten-Epos SLAN aus dem Jahr 1940 hinweisen oder an Theodore Sturgeons Gestalt-Zyklus MORE THAN HUMAN von 1953 erinnern (und natürlich wurden auch Michael Crichtons Werke KONGO und JURRASIC PARK nicht vergessen).
Wenn wir dann aber Sätze lesen dürfen wie diese,
Als sie auf dem Dach ankommen, werden sie bereits erwartet. Mehrere Personen stehen vor dem HQ. Crispin lässt einen Schrei los. „Ich wusste es! Da sind sie! Mein Leben ist vorbei! Kill! Over!“
Alle mustern die Fremden. Drei weiblich gelesene Personen im mittleren Alter.
„Wer ist das?“, will Aruke wissen, „Crispin hast du die Stromrechnung nicht bezahlt?“
Crispins Kinn zittert. „Das sind meine Mütter.“
Was they nicht sagt: Sie haben mich gefunden, weil ich vom Familienvermögen deine neue ID gekauft habe.
„Schön sie mal kennenzulernen“, erwidert Aruke und lächelt.
Crispin seufzt. Arukes Lächeln macht alles immer gleich irgendwie besser.
(S. 323)
dann wissen wir, dass so in Deutschland derzeit nur Aiki Mira schreiben kann! Die Wärme und Zuneigung, die hier sichtbar wird, berührt unser aller Herzen.
Es war kein Zufall, dass Aiki Miras Werke in den vergangenen zwei Jahren praktisch alle nur möglichen Genre-Preise abräumten, egal ob für Kurzgeschichten oder Romane, und es ist nach der Lektüre von NEUROBIEST auch klar, dass dies der heißeste Anwärter für die nächste Preis-Saison ist.
Horst Illmer
- Kategorie: Adventskalender , Bücher , deutschsprachige Autoren , Horsts Bibliothek , Science Fiction , Tipps
- Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2023 T-21: Neurobiest von Aiki Mira (by Horst)
von Horst Illmeram 3. Dezember 2023
Wie schon den gestrigen Beitrag möchte ich euch auch diesen nicht nicht vorenthalten. An dieser Stelle ziehe ich auch gleich vorauseilend meinen Hut vor Horst. Die heutige Doppelung meines Beitrags vom 18. Oktober ist wieder einmal sensationell. Als Titel sowieso, aber auch als Rezension.
Der Roman hat es mehr als verdient auch an dieser Stelle im Adventskalender erneut aufzutauchen. Dass Horsts Rezi dabei eine ganz eigene Qualität in sich birgt, erhöht den Wert noch zusätzlich. Im Grunde ist es einfach auf den Punkt zu bringen. Wir schwärmen beide, wenn auch in unterschiedlichen Worten. Lest heute die Adventsschwärmerei von Horst:
Aiki Mira
NEUROBIEST.
Bremen, Eridanus, 2023, 335 S.
ISBN 9783-3946348-39-9
Kartoniert / 16,00 Euro
Der von Charles Darwin ins Menschheitsbewußtsein eingeprägte Begriff der Evolution erweist sich als immer noch nicht ausgeschöpfte Quelle vielgestaltiger Möglichkeiten der Naturerkenntnis und greift inzwischen über das Materielle hinaus auch ins Imaginäre.
Mit welch anderem Beiwort sonst wäre Aiki Miras scheinbar unerschöpflich fließendes Schreiben zu erklären, in dem die Geschichten so unterschiedlich sind wie nur möglich sind und die Bücher wie Zellbausteine aufeinander aufbauen, dabei einander variiren, und sich stetig weiter entwickeln.
Nachzulesen und zu überprüfen ist diese These jetzt in NEUROBIEST, Miras im Herbst 2023 erschienenen Science-Fiction-Roman. Von Aiki Mira selbst als „Biopunk“ bezeichnet, nimmt die Geschichte Fäden und Anspielungen, Begriffe und Stimmungen aus dem schon sehr überzeugend geschriebenen Vorläuferbuch NEONGRAU auf und springt vom halb versunkenen, verdüsterten Hamburg in ein wild wucherndes und strahlendes Berlin.
Dieses zukünftige Aiki-Mira-Berlin hat sich offenbar zu einer Hauptstadt der Biologieforschung und der Erzeugung biosynthetischen Lebens entwickelt – und das nicht nur auf rechtlich unangreifbare Weise, sondern offensichtlich auch mittels mehr oder weniger illegaler Menschenversuche. Einmal in der Welt, sucht und findet auch dieses Leben seinen Weg.
Die in zwei Erzählstränge aufgeteilte Geschichte von Aruke und Riva, von Prima und Tanun, von Crispin, Kenoah, Olivia, Cem und einem halben Dutzend weiterer bemerkenswert liebenswürdiger und lebendiger Protagonisten spielt abwechselnd im Berlin des Jahres 2100 und in einem Biolabor im Amazonasgebiet zehn Jahre früher. Die Geschehnisse und ihre Folgen beschreibt Mira in einer Stil-Mischung aus absolut gegenwärtiger Sprache und einem tiefen Verständnis für klassische Science-Fiction-Elemente. Denn auch wenn in NEUROBIEST alles topaktuell auf dem Stand derzeitiger Spitzenforschung ist, so klingen als Hintergrundmelodien immer wieder Variationen an, die auf A. E. van Vogts Mutanten-Epos SLAN aus dem Jahr 1940 hinweisen oder an Theodore Sturgeons Gestalt-Zyklus MORE THAN HUMAN von 1953 erinnern (und natürlich wurden auch Michael Crichtons Werke KONGO und JURRASIC PARK nicht vergessen).
Wenn wir dann aber Sätze lesen dürfen wie diese,
Als sie auf dem Dach ankommen, werden sie bereits erwartet. Mehrere Personen stehen vor dem HQ. Crispin lässt einen Schrei los. „Ich wusste es! Da sind sie! Mein Leben ist vorbei! Kill! Over!“
Alle mustern die Fremden. Drei weiblich gelesene Personen im mittleren Alter.
„Wer ist das?“, will Aruke wissen, „Crispin hast du die Stromrechnung nicht bezahlt?“
Crispins Kinn zittert. „Das sind meine Mütter.“
Was they nicht sagt: Sie haben mich gefunden, weil ich vom Familienvermögen deine neue ID gekauft habe.
„Schön sie mal kennenzulernen“, erwidert Aruke und lächelt.
Crispin seufzt. Arukes Lächeln macht alles immer gleich irgendwie besser.
(S. 323)
dann wissen wir, dass so in Deutschland derzeit nur Aiki Mira schreiben kann! Die Wärme und Zuneigung, die hier sichtbar wird, berührt unser aller Herzen.
Es war kein Zufall, dass Aiki Miras Werke in den vergangenen zwei Jahren praktisch alle nur möglichen Genre-Preise abräumten, egal ob für Kurzgeschichten oder Romane, und es ist nach der Lektüre von NEUROBIEST auch klar, dass dies der heißeste Anwärter für die nächste Preis-Saison ist.
Horst Illmer
- Kategorie: Adventskalender , Bücher , deutschsprachige Autoren , Horsts Bibliothek , Science Fiction , Tipps
- Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2023 T-21: Neurobiest von Aiki Mira (by Horst)