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Die Stimme der Kraken

von am 29. Mai 2024

Ray Nayler
DIE STIMME DER KRAKEN. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE MOUNTAIN IN THE SEA / 2022)
Stuttgart, Tropen, 2024, 461 S.
ISBN 978-3-608-50013-4 / 26,00 Euro

Es gibt immer noch Bücher, denen ich beim ersten Blick darauf voll auf den Leim gehe, also sofort weiß, worum es geht – und dann bei der Lektüre feststelle, dass ich komplett danebenliege. So jetzt bei DIE STIMME DER KRAKEN, dem Erstlingsroman des Kanadiers Ray Nayler. Ohne eine Zeile gelesen zu haben, hätte ich das Ding sofort in mein Lovecraft-Epigonen-Regal einsortiert, was zum einen natürlich an meinen Vorurteilen liegt, zum anderen aber der durchaus gelungenen Buchgestaltung mit einem ziemlich fies blickenden Oktopus und dem dunkelvioletten Seitenschnitt geschuldet ist.

Aber dann war alles doch ganz anders: Es geht in DIE STIMME DER KRAKEN tatsächlich um Kopffüßler und darum, ob diese jemals in der Lage sein werden, ihre angeborene Intelligenz bis zu einem Grad weiter zu entwickeln, an dem sie mit unserer Spezies kommunizieren könnten.

Nayler siedelt seinen Hard-SF-Thriller in einer nicht allzu fernen Zukunft an, in der die großen Seen und die Meere tatsächlich leergefischt sind, und der „Nachschub“ nur noch aus Naturschutzgebieten kommen kann. Ein solches Reservat ist das Gebiet um die Insel Con Dao, das vor einigen Jahren vom Technikkonzern DIANIMA gekauft und abgeriegelt wurde. Natürlich nicht ganz uneigennützig, vermuten die Verantwortlichen dort doch die Möglichkeit, dass hinter den Gespenstergeschichten der Einheimischen weit mehr steckt – z. B. eine hochentwickelte Krakenpopulation. Deshalb sollen Ha Nguyen, eine Meeresbiologin, und Evrim, der erste und einzige Androide des Planeten, ein Team bilden und eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme entwickeln. Dabei müssen sie jedoch nicht nur das physikalische Gesetz vom Beobachter, der sein Beobachtungsobjekt beeinflusst beachten, sondern auch die Tatsache, dass sie selbst im Fokus einer ganzen Schar (teilweise sogar feindlich gesinnter) Beobachter stehen.

Nayler packt diesen Plot in eine personenreiche und teilweise spektakuläre Handlung. Die unterschiedlichsten Parteien versuchen Einfluss auf das Gesehen auf Con Dao zu nehmen: fehlgeleitete Tierschützer, Piraten, konkurrierende Firmen, heimwehkranke Taucher, verzweifelte Fischer, buddhistische Roboter-Mönche und ein ausgefuchster Hacker machen sich auf den Weg oder sind bereits vor Ort. Allerdings geht die größte Gefahr manchmal auch von einer Person aus, der alle unbedingt vertrauen …

Die 460 Seiten vergehen wie im Flug, die Informationen über Kraken, die geschickt eingestreut werden, scheinen hervorragend recherchiert und dass es unter Umständen eine gute Idee wäre, sich nicht mit der Gattung Mensch einzulassen, würden bestimmt eine ganze Reihe der von uns ausgerotteten Spezies unterschreiben. Allerdings lässt Nayler seinen Leser*innen am Ende noch die Hoffnung auf eine positive Wendung.

Horst Illmer

warenkorbIhr könnt alle lieferbaren Artikel
im Webshop bestellen oder via e-mail im Laden anfragen

von am 29. Mai 2024

Ray Nayler
DIE STIMME DER KRAKEN. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE MOUNTAIN IN THE SEA / 2022)
Stuttgart, Tropen, 2024, 461 S.
ISBN 978-3-608-50013-4 / 26,00 Euro

Es gibt immer noch Bücher, denen ich beim ersten Blick darauf voll auf den Leim gehe, also sofort weiß, worum es geht – und dann bei der Lektüre feststelle, dass ich komplett danebenliege. So jetzt bei DIE STIMME DER KRAKEN, dem Erstlingsroman des Kanadiers Ray Nayler. Ohne eine Zeile gelesen zu haben, hätte ich das Ding sofort in mein Lovecraft-Epigonen-Regal einsortiert, was zum einen natürlich an meinen Vorurteilen liegt, zum anderen aber der durchaus gelungenen Buchgestaltung mit einem ziemlich fies blickenden Oktopus und dem dunkelvioletten Seitenschnitt geschuldet ist.

Aber dann war alles doch ganz anders: Es geht in DIE STIMME DER KRAKEN tatsächlich um Kopffüßler und darum, ob diese jemals in der Lage sein werden, ihre angeborene Intelligenz bis zu einem Grad weiter zu entwickeln, an dem sie mit unserer Spezies kommunizieren könnten.

Nayler siedelt seinen Hard-SF-Thriller in einer nicht allzu fernen Zukunft an, in der die großen Seen und die Meere tatsächlich leergefischt sind, und der „Nachschub“ nur noch aus Naturschutzgebieten kommen kann. Ein solches Reservat ist das Gebiet um die Insel Con Dao, das vor einigen Jahren vom Technikkonzern DIANIMA gekauft und abgeriegelt wurde. Natürlich nicht ganz uneigennützig, vermuten die Verantwortlichen dort doch die Möglichkeit, dass hinter den Gespenstergeschichten der Einheimischen weit mehr steckt – z. B. eine hochentwickelte Krakenpopulation. Deshalb sollen Ha Nguyen, eine Meeresbiologin, und Evrim, der erste und einzige Androide des Planeten, ein Team bilden und eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme entwickeln. Dabei müssen sie jedoch nicht nur das physikalische Gesetz vom Beobachter, der sein Beobachtungsobjekt beeinflusst beachten, sondern auch die Tatsache, dass sie selbst im Fokus einer ganzen Schar (teilweise sogar feindlich gesinnter) Beobachter stehen.

Nayler packt diesen Plot in eine personenreiche und teilweise spektakuläre Handlung. Die unterschiedlichsten Parteien versuchen Einfluss auf das Gesehen auf Con Dao zu nehmen: fehlgeleitete Tierschützer, Piraten, konkurrierende Firmen, heimwehkranke Taucher, verzweifelte Fischer, buddhistische Roboter-Mönche und ein ausgefuchster Hacker machen sich auf den Weg oder sind bereits vor Ort. Allerdings geht die größte Gefahr manchmal auch von einer Person aus, der alle unbedingt vertrauen …

Die 460 Seiten vergehen wie im Flug, die Informationen über Kraken, die geschickt eingestreut werden, scheinen hervorragend recherchiert und dass es unter Umständen eine gute Idee wäre, sich nicht mit der Gattung Mensch einzulassen, würden bestimmt eine ganze Reihe der von uns ausgerotteten Spezies unterschreiben. Allerdings lässt Nayler seinen Leser*innen am Ende noch die Hoffnung auf eine positive Wendung.

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