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In fernen Gefilden

von am 24. Juni 2024

Joanna Russ
IN FERNEN GEFILDEN.
Werke 1
Ü: Hannes Riffel, Erik Simon & Thomas Ziegler
Nachwort: Jeanne Cortiel
Wittenberge, Carcosa, 2024, 393 S.
ISBN 978-3-910914-18-6 / 26,00 Euro

Respekt.

Nicht nur bei mir selbst, sondern auch in all den Äußerungen, Besprechungen, Interviews über und mit Joanna Russ, die ich kenne, ist „Respekt“ die am deutlichsten erkennbare Emotion.
Was für eine außergewöhnliche Person muss Russ gewesen sein, dass sie solche Empfindungen auslöst – und das oftmals sogar bei Menschen, die sie überhaupt nicht persönlich gekannt haben. (Ein schönes und lesenswertes Beispiel ist das Interview, das Charles Platt – mittels Telefon! – 1981 mit Russ geführt hat. Selbst bei dieser Distanz hält er sich erkennbar mehr zurück als bei den meisten anderen seiner Gesprächspartner. Vgl. DIE WELTENSCHÖPFER: Band 3; Memoranda, 2022).

Vergnügen.

Neben all den ernsten Themen und der feministischen Metaebene für die Joanna Russ vor allem bekannt ist (aber: wer hat denn, und wann, überhaupt zuletzt ein Russ-Buch gelesen?), muss es doch gute Gründe dafür geben, dass ein deutscher Verlag wie Carcosa rechtzeitig zu Buchmesse im Frühjahr 2024 als Glanzstück seines aktuellen Programms den ersten Band einer Werkausgabe von Joanna Russ publiziert.
Und wer sich unvoreingenommen auf das Buch, das den Titel IN FERNEN GEFILDEN trägt, und neben den kompletten „Alyx“-Geschichten zwei wichtige Essays, eine Reihe von Buchbesprechungen der amerikanischen Autorin sowie ein kluges Nachwort der Herausgeberin Jeanne Cortiel enthält, einlässt, wird zuallererst eine Autorin entdecken, deren Geschichten zu lesen echtes Vergnügen bereitet.
Die „Barbarin“ Alyx entwickelt sich innerhalb von 5 Kurzgeschichten und einem kurzen Roman von einer selbstbewussten Fantasy-Kämpferin zu einer außergewöhnlich begabten Science-Fiction- Transtemporal-Agentin. Dabei erlebt sie Abenteuer, Leidenschaften, Liebe und Verzweiflung und bewahrt dabei eine stoische, in sich selbst ruhende Gelassenheit, die selbst bekanntere Superhelden vor Neid blass werden lässt.

Intelligenz.

Russ hat nicht nur Geschichten und Romane geschrieben, sondern auch viele Jahre lang an Hochschulen unterrichtet und Buchbesprechungen und Essays verfasst. Einige dieser Rezensionen und Sachtexte, parallel zu den Alyx-Geschichten am Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre entstanden, fanden Eingang in diesen ersten von drei geplanten Bänden der „Werke“. In ihnen blitzen die herausragende Intelligenz und der große Furor auf, die hinter und neben der Kunst ihres Schreibens (und ihres Humors), die Wirkung Russ’scher Texte bestimmen. Egal ob sie die Romane und Erzählungen ihrer Genre-Kolleg*innen ins Visier nimmt oder theoretische Überlegungen zum Realitätsgehalt phantastischer Texte anstellt, egal ob sie schimpft, flucht, lobt, zerreißt, widerlegt oder begeistert ist – immer versucht sie gerecht zu sein und auch der „Gegenseite“ zumindest zuzuhören. Es handelt sich dabei um eine lobenswerte und leider ein wenig ins Vergessen geratene Tugend, und auch deshalb kann es nur von Vorteil sein, dieses kurzweilige und intelligente und Respekt erheischende Buch zu lesen.

Horst Illmer

von am 24. Juni 2024

Joanna Russ
IN FERNEN GEFILDEN.
Werke 1
Ü: Hannes Riffel, Erik Simon & Thomas Ziegler
Nachwort: Jeanne Cortiel
Wittenberge, Carcosa, 2024, 393 S.
ISBN 978-3-910914-18-6 / 26,00 Euro

Respekt.

Nicht nur bei mir selbst, sondern auch in all den Äußerungen, Besprechungen, Interviews über und mit Joanna Russ, die ich kenne, ist „Respekt“ die am deutlichsten erkennbare Emotion.
Was für eine außergewöhnliche Person muss Russ gewesen sein, dass sie solche Empfindungen auslöst – und das oftmals sogar bei Menschen, die sie überhaupt nicht persönlich gekannt haben. (Ein schönes und lesenswertes Beispiel ist das Interview, das Charles Platt – mittels Telefon! – 1981 mit Russ geführt hat. Selbst bei dieser Distanz hält er sich erkennbar mehr zurück als bei den meisten anderen seiner Gesprächspartner. Vgl. DIE WELTENSCHÖPFER: Band 3; Memoranda, 2022).

Vergnügen.

Neben all den ernsten Themen und der feministischen Metaebene für die Joanna Russ vor allem bekannt ist (aber: wer hat denn, und wann, überhaupt zuletzt ein Russ-Buch gelesen?), muss es doch gute Gründe dafür geben, dass ein deutscher Verlag wie Carcosa rechtzeitig zu Buchmesse im Frühjahr 2024 als Glanzstück seines aktuellen Programms den ersten Band einer Werkausgabe von Joanna Russ publiziert.
Und wer sich unvoreingenommen auf das Buch, das den Titel IN FERNEN GEFILDEN trägt, und neben den kompletten „Alyx“-Geschichten zwei wichtige Essays, eine Reihe von Buchbesprechungen der amerikanischen Autorin sowie ein kluges Nachwort der Herausgeberin Jeanne Cortiel enthält, einlässt, wird zuallererst eine Autorin entdecken, deren Geschichten zu lesen echtes Vergnügen bereitet.
Die „Barbarin“ Alyx entwickelt sich innerhalb von 5 Kurzgeschichten und einem kurzen Roman von einer selbstbewussten Fantasy-Kämpferin zu einer außergewöhnlich begabten Science-Fiction- Transtemporal-Agentin. Dabei erlebt sie Abenteuer, Leidenschaften, Liebe und Verzweiflung und bewahrt dabei eine stoische, in sich selbst ruhende Gelassenheit, die selbst bekanntere Superhelden vor Neid blass werden lässt.

Intelligenz.

Russ hat nicht nur Geschichten und Romane geschrieben, sondern auch viele Jahre lang an Hochschulen unterrichtet und Buchbesprechungen und Essays verfasst. Einige dieser Rezensionen und Sachtexte, parallel zu den Alyx-Geschichten am Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre entstanden, fanden Eingang in diesen ersten von drei geplanten Bänden der „Werke“. In ihnen blitzen die herausragende Intelligenz und der große Furor auf, die hinter und neben der Kunst ihres Schreibens (und ihres Humors), die Wirkung Russ’scher Texte bestimmen. Egal ob sie die Romane und Erzählungen ihrer Genre-Kolleg*innen ins Visier nimmt oder theoretische Überlegungen zum Realitätsgehalt phantastischer Texte anstellt, egal ob sie schimpft, flucht, lobt, zerreißt, widerlegt oder begeistert ist – immer versucht sie gerecht zu sein und auch der „Gegenseite“ zumindest zuzuhören. Es handelt sich dabei um eine lobenswerte und leider ein wenig ins Vergessen geratene Tugend, und auch deshalb kann es nur von Vorteil sein, dieses kurzweilige und intelligente und Respekt erheischende Buch zu lesen.

Horst Illmer

1 Kommentar zu “In fernen Gefilden”

  1. Oliver sagt:

    Auf die Bände freue ich mich besonders. Der erste liegt auch schon hier. Weiß noch nicht, wann ich dazu komme …

    Danke, Horst!

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