Rezis

Rezensionen sind Artikel zu einzelnen Werken oder Produkten. Für kurze Empfehlungen, Topps oder Flops gibt es die Kategorie "Tipps"

Rückkehr nach Duncan’s Creek

von am 20. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Rückkehr nach Duncan’s Creek

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Nicolas Zeimet
Rückkehr nach Duncan’s Creek
Aus dem Französischen von Ronald Voullié
(Retour a Duncan’ Creek, 2017)
Polar Verlag, Stuttgart 2020, 388 Seiten
ISBN 978-3-948392-00-0

Krimis aus Frankreich? Da ist man gedanklich gleich bei Manchette und den kühlen Gangster-Geschichten des Néo-Polar, dem harten modernen Großstadt-Polizeikrimi oder klassischen Ermittlern wie Malets Nestor Burma und Simenons Maigret. Der 1977 geborene Franzose Nicolas Zeimet wandelt in seinem Roman „Rückkehr nach Duncan’s Creek“ allerdings auf amerikanischen Noir-Pfaden – und ganz besonders in den Spuren von Bestsellerlistenkönig Stephen King. Dessen spannungsliterarisches Schaffen ist ebenso Teil des popkulturellen Bezugssystems von „Rückkehr nach Duncan’s Creek“ wie Star Wars, Freddie Krueger, die Goonies oder Richard Matheson.

In der Gegenwart fährt der glücklose Schriftsteller Jake aus San Francisco hunderte Meilen durch die Wüste von Nevada, seiner alten Heimatkleinstadt Duncan’s Creek entgegen. Rückblenden in die Vergangenheit der 80er enthüllen, was für brutale, dunkle Geheimnisse Jake und seine beiden besten Freunde Samantha und Ben nie losgelassen haben, sie bis heute verfolgen. Denn Sam wurde als Kind von ihrem Vater missbraucht, und ihre „Bande“ damals an einem alles verändernden Halloweenabend in das blutig endende Familiendrama hineingezogen. Daraufhin potenzieren sich Gewalt, Lügen und Geheimnisse, die viel zerstörten …

Nicolas Zeimet beschreibt einen äußerst hässlichen und drastischen Horror, der im familiären Alltag entsteht und völlig eskaliert. Sein in dieser Hinsicht greifbar finsterer Noir-Roman ist nie übernatürlich, immer mal richtig heftig – und trotz ein paar fragwürdiger stilistischer Entscheidungen hier und da der ideale Krimi für alle Fans von Stephen King. Dafür gab es in Frankreich 2018 den Prix-Dora-Suarez.

Christian Endres

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Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Nicolas Zeimet
Rückkehr nach Duncan’s Creek
Aus dem Französischen von Ronald Voullié
(Retour a Duncan’ Creek, 2017)
Polar Verlag,

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Ein Vogel ist er nicht

von am 19. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Ein Vogel ist er nicht

Philip Krömer
EIN VOGEL IST ER NICHT. Neun Umschreibungen.
Mit Bildern von Florian L. Arnold
Ohne Ort (Europa), Topalian & Milani, 2019, 224 Seiten
ISBN 978-3-946423-09-6

Tja, wie soll man das nun nennen?
Kurzgeschichten?
Historische Erzählungen?
Alternative Geschichtsschreibung?
Oder einfach nur frech?
Auf jeden Fall nennt der Autor Philip Krömer seine in EIN VOGEL IST ER NICHT versammelten Texte schlicht „Umschreibungen“ – vieldeutiger ging‘s wohl nicht.
Und dieses Uneindeutige ist bei Krömer Programm.
Geschickt nutzt er das „fundierte Halbwissen“ seiner Leser und schreibt humorvolle Anekdoten über bekannte Persönlichkeiten wie Kaiserin Elisabeth (Sisi), Ludwig II., Napoleon Bonaparte, E. A. Poe oder H. C. Artmann, aber auch über Schreckensmänner wie den Serienmörder Haarmann, die römischen Kaiser Nero und Julius Cäsar, den Heiligen Georg und den mythischen Ikarus.
Allen diesen (teils sehr kurzen, teils durchaus veritablen) Geschichten ist jedoch ein gewisses Irritationspotenzial eingebaut: so irrt etwa der amerikanische Dichter Edgar Allan Poe im Jahr 1857 (acht Jahre nach seinem vorgetäuschten Tod) in Eskimokluft durch Nordkanada – immer noch auf der Suche nach Beweisen für den Wahrheitsgehalt seines „realistischen“ Berichts über die Erlebnisse eines gewissen Arthur Gordon Pym …
Der 1988 in Amberg geborene, inzwischen in Erlangen heimische Krömer hat unter anderem auch Buchwissenschaften studiert und dieses Wissen in die Gestaltung von EIN VOGEL IST ER NICHT eingebracht. Entstanden ist ein herausragend schönes Buch, durchgängig illustriert mit in aufwändiger Mischtechnik entstandenen Grafiken von Florian L. Arnold und zudem schrift- und satztechnisch einfach ein Genuss.

Horst Illmer

Philip Krömer
EIN VOGEL IST ER NICHT. Neun Umschreibungen.
Mit Bildern von Florian L. Arnold
Ohne Ort (Europa), Topalian & Milani, 2019, 224 Seiten
ISBN 978-3-946423-09-6

Tja, wie soll man das nun nennen?
Kurzgeschichten?
Historische Erzählungen?
Alternative Geschichtsschreibung?
Oder einfach nur frech?
Auf jeden Fall nennt der Autor Philip Krömer seine in EIN VOGEL IST ER NICHT versammelten Texte schlicht „Umschreibungen“ – vieldeutiger ging‘s wohl nicht.
Und dieses Uneindeutige ist bei Krömer Programm.

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Parallel Lines – 5

von am 15. Mai 2020 3 Kommentare

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Des Bosch-Hämorrhoidensalbentuchs“ (David Foster Wallace)

Eyesight for the Blind / The Persistence of Vision (The Who / John Varley)

Music is the doctor
Makes you feel like you want to
Listen to the doctor
Just like you ought to
Music is the doctor of my soul

The Doobie Brothers

Doctor Doctor, gimme the news
I got a bad case of lovin' you
No pill’s gonna cure my ill
I got a bad case of lovin' you

Robert Palmer

Ihr könnt mir gratulieren. Ich habe das „missing link“ gefunden!

Auf der Suche nach einer diesmal mehr positiven und optimistischen „Parallele“ bin ich, mehr durch Zufall und Glück als durch echtes „Wissen“, auf etwas in der Science Fiction einmaliges und staunenswertes gestoßen – auf James White und seine Serie „Orbit Hospital“.

Im englischen Original ist die von 1957 bis 1999 von White ganz alleine geschriebene Serie als „Sector General“ bekannt, nach dem Titel der ersten Geschichte, die damals im englischen Magazin New Worlds erschien.
Erzählt werden darin die Abenteuer einer intergalaktischen Mediziner-Crew, die in einem riesigen Krankenhaus Dienst tut, das am Rande des Universums um einen Planeten kreist. Gebaut und in Betrieb gehalten wird das Orbit Hospital von der Gemeinschaft der galaktischen Völker, deren „Monitoren“-Truppe auch für die Sicherheit der Station zuständig ist.

Der im Nordirischen Belfast geborene James White (1928–1999) war zeitlebens „nur“ Nebenerwerbs-Schriftsteller. Er zog es vor, seinen Lebensunterhalt mit ehrlicher Arbeit (Werbung) zu verdienen und seinem Hobby als SF-Autor (trotz eines gewissen Erfolgs) lieber nur nebenbei zu frönen. Ausschlaggebend dafür dürfte auch gewesen sein, dass White überzeugter Pazifist war und dies auch in seinen Romanen und Erzählungen zum Ausdruck bringen wollte. Das machte „Sector General“ laut dem Genre-Historiker Brian Stableford zwar zur ersten rein pazifistischen Weltraumsaga („the first explicitly pacifist space opera series“) – die aber niemals ein echter Bestseller wurde, auf dem man eine sichere Karriere hätte aufbauen können.

Trotzdem erlangte White einigen Ruhm mit den in insgesamt zwölf Bänden gesammelten Kurzgeschichten und Romanen um den Chefarzt Dr. Peter Conway, die Krankenschwestern Murchison und Naydrad, den empathischen (wenngleich spinnenähnlichen) Dr. Prilicla und ihrer gemeinsamen „Nemesis“, dem Chefpsychologen Dr. O’Mara, die immer wieder aufs Neue vor der Herausforderung stehen, exotische Aliens von noch exotischeren Krankheiten zu heilen.
Obwohl die Weltraumklinik riesig ist und fast alle Umweltbedingungen nachstellen kann, sind die Behandlungen oftmals schwierig, da die Mediziner sich erst einmal in ihre Patienten (und deren Metabolismus) „hineinversetzen“ müssen. Das erfordert einen fast detektivischen Spürsinn, sodass die einzelnen Episoden manchmal wie eine gelungene Verbindung zwischen „Dr. House“, Sherlock Holmes und „Babylon 5“ wirken.
Im Lauf der Jahre entwickelte sich die Spannung der Handlung auch durch diverse Konflikte mit den Soldaten des Monitoren-Corps, mit feindlichen Angriffen auf das Orbit Hospital oder durch Außeneinsätze, wenn z. B. einmal der Patient sogar für dieses Krankenhaus zu groß war. White, der gerne selbst Arzt geworden wäre, schrieb einen Großteil der Abenteuer in Form von Kurzgeschichten in den 1960er und 1970er Jahren und sah die Serie nach sechs Sammelbänden eigentlich schon als abgeschlossen an. Allerdings konnten ihn freundliche Bitten seiner Verleger dann doch dazu bringen, noch sechs Romane (davon alleine fünf in den Jahren zwischen 1991 und 1999) folgen zu lassen.
In Deutschland gab es seit 1965 immer wieder (zumeist nur kurzlebige) Versuche, die „Weltraum-Mediziner“ auf Station zu schicken. Nach Moewig, Pabel und Ullstein nahm dann Wolfgang Jeschke vom Heyne Verlag die Sache in die Hand und veröffentlichte zwischen 1993 und 1997 die bis dahin erschienenen Bände Eins bis Neun in der (teilweisen Neu-)Übersetzung von Kalla Wefel. In White Todesjahr 1999 folgte dann noch DIE LETZTE DIAGNOSE (die Bände 11 und 12 kann man bisher nur auf Englisch lesen). Als Besonderheit der Deutschen Ausgabe ist Anzumerken, dass die zehn Titelbilder, gemalt von Boros Zoltan und Szikszai Gabor, aneinandergelegt ein großartiges Panoramabild ergeben.

Zwar ist auch im Weltraum und im „Orbit Hospital“ nicht immer alles LOVE & PEACE & HARMONY wie es sich die Jungs von High South auf ihrer aktuellen CD ausmalen, aber James White kommt diesem Ideal so nahe wie niemand sonst in der gesamten Science-Fiction-Literatur.

Song: Carole King – „You’ve Got A Friend“ (1971, vom Album TAPESTRY)

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Des Bosch-Hämorrhoidensalbentuchs“ (David Foster Wallace)

Eyesight for the Blind / The Persistence of Vision (The Who / John Varley)

Music is the doctor
Makes you feel like you want to
Listen to the doctor
Just like you ought to
Music is the doctor of my soul

The Doobie Brothers

Doctor Doctor, gimme the news
I got a bad case of lovin'

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Dark Matter

von am 14. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Dark Matter

Blake Crouch
Dark Matter – Der Zeitenläufer
Aus dem amerikanischen Englisch von Klaus Berr
(Black Matter, 2016)
München, Wilhelm Goldmann Verlag, 2019, 416 Seiten
ISBN 978-3-442-48397-6

Ich bin viele!

Der Thriller von Blake Crouch ist ein spannender Multiversum-Roman, der im Chicago der Jetztzeit spielt.

Jason Dessen unterrichtet am Lamont College Physik und führt ein bescheidenes, aber glückliches Leben zusammen mit seiner Frau Daniela und ihrem gemeinsamen Sohn Charlie. Als er eines Abends auf einen Drink seines alten Freundes Ryan Holder eingeladen wird, endet der Abend ganz anders als sich das Jason jemals hätte denken können.
Sein zweites Ich aus einem parallelen Universum hat es geschafft, die Barrieren zwischen den parallel existierenden Universen einzureissen und sein Leben gegen das des Original-Jason einzutauschen. Der Original-Jason landet im Gegenzug in der Welt von Jason2.

In dieser „zweiten“ Welt ist Jason2 ein gefeierter, genialer Physiker, der die Möglichkeiten der gesprengten Grenzen zwischen den Multiversen entdeckt hat und diese nutzt.

Auf diesen Plot baut Blake Crouch eine rasante Geschichte, die im Verlauf einige irre Wendungen nimmt. Dabei verliert sich der Autor nicht in den sich bietenden möglichen Verstrickungen, die eine Parallelweltenerzählung per se anbietet, sondern fokussiert sich auf den Original-Jason.

Durch diese Reduktion auf einen Erzählstrang geht zwar der Tiefgang etwas verloren, aber der Roman ist unterhaltsames Lesefutter für zwischendurch. Wobei ich die angedeuteten Möglichkeiten existierender Multiversen als beunruhigend empfunden habe und es durchaus vorstellbar ist, diese in weiteren Geschichten weiter auszuarbeiten.

Blake Crouch
Dark Matter – Der Zeitenläufer
Aus dem amerikanischen Englisch von Klaus Berr
(Black Matter, 2016)
München, Wilhelm Goldmann Verlag, 2019, 416 Seiten
ISBN 978-3-442-48397-6

Ich bin viele!

Der Thriller von Blake Crouch ist ein spannender Multiversum-Roman, der im Chicago der Jetztzeit spielt.

Jason Dessen unterrichtet am Lamont College Physik und führt ein bescheidenes, aber glückliches Leben zusammen mit seiner Frau Daniela und ihrem gemeinsamen Sohn Charlie. Als er eines Abends auf einen Drink seines alten Freundes Ryan Holder eingeladen wird,

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Wie man einen Bären kocht

von am 13. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Wie man einen Bären kocht

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Mikael Niemi
Wie man einen Bären kocht
Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt
(Koka björn, 2017)
btb, München 2020, 507 Seiten
ISBN 978-3-442-75800-5

„Wie man einen Bären kocht“ heißt das neueste Werk des schwedischen Autors Mikael Niemi, den man für seinen verfilmten Roman „Populärmusik aus Vittula“ kennen mag. Sein jüngstes Buch spielt 1852 in einem abgelegenen Dorf in Nordschweden. Eine junge Magd wird tot im Wald gefunden, als Schuldigen machen Landjäger und Gendarm einen Bären aus, der gejagt werden muss. Doch der protestantische Pfarrer Laestadius, ein Naturforscher und Pionier von Deduktion und Forensik, geht davon aus, dass man ihnen da einen Bären aufzubinden versucht und in Wahrheit ein Mensch der Mörder sein dürfte. Laestadius und sein von allen verachteter Zögling Jussi ermitteln – und ziehen sich den Zorn der Mächtigen in ihrer Gemeinschaft zu …

Manchmal kann der Titel täuschen: „Wie man einen Bären kocht“ ist keiner dieser witzig-schrägen schwedischen Romane, wie sie in den letzten Jahren neben den typischen Schwedenkrimis boomten. Schräg geht es in diesem historischen Krimi von Mikael Niemi dennoch des Öfteren zu, was sich auch sprachlich niederschlägt. Und obwohl einen nicht jedes Kapitel über den historisch verbrieften Priester und Detektiv sowie seinen armen Sidekick aus Lappland überzeugt, versteht Niemi es doch blendend, einen mit allen Sinnen in das ländliche nördliche Schweden zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu holen, wo einiges im Argen lag und im Wandel war.

Christian Endres

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Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Mikael Niemi
Wie man einen Bären kocht
Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt
(Koka björn, 2017)
btb, München 2020,

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Aufbruch in den Abgrund

von am 11. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Aufbruch in den Abgrund

Hans Frey
AUFBRUCH IN DEN ABGRUND.
Deutsche Science Fiction zwischen Demokratie und Diktatur. Von Weimar bis zum Ende der Nazidiktatur 1918–1945.
Berlin, Memoranda, 2020, 530 Seiten
ISBN 978-3-948616-02-1, / Klappenbroschur

Der von Hans Frey 2018 in FORTSCHRITT UND FIASKO begonnene Versuch einer Literaturgeschichte der deutschen Science Fiction findet im Frühjahr 2020 seine Fortsetzung in AUFBRUCH IN DEN ABGRUND – DEUTSCHE SCIENCE FICTION ZWISCHEN DEMOKRATIE UND DIKTATUR. Reichten Frey für die ersten einhundert Jahre von 1810 bis zum 1. Weltkrieg noch 300 Seiten, so füllt die Untersuchung der zwischen 1918 und 1945 („Von Weimar bis zum Ende der Nazidiktatur“) erschienenen Zukunftsliteratur diesmal über 500 Seiten.
Akribisch und detailfreudig beschreibt der Sammler und Literaturkenner Frey, der als Germanist, Lehrer und Politiker die besten Voraussetzungen dafür mitbringt, die im deutschsprachigen Raum veröffentlichten Romane und Kurzgeschichtenbände, deren Inhalt zwar noch als „phantastische Literatur“, „technischer Zukunftsroman“ oder „utopisch“ bezeichnet wurde, aber letztlich dem entsprach, was zeitgleich in den USA als „Science Fiction“ seinen Siegeszug um die Welt begann. Dabei folgt er zwar grundsätzlich dem „Zeitstrang“, unterteilt jedoch geschickt nach Themenkreisen, einzelnen Autoren, technischen und (vor allem) politischen Zäsuren und schafft es so, nicht nur den vielen hundert Büchern gerecht zu werden, sondern auch noch den historischen Hintergrund seines Zeitgemäldes „scharf zu stellen“.
Was von Nessun Saprà in dessen LEXIKON DER DEUTSCHEN SCIENCE FICTION & FANTASY 1919–1932 (Utopica, 2007) begonnen wurde (aber leider Fragment blieb), nimmt Frey als Grundlage, geht in seinem AUFBRUCH IN DEN ABGRUND aber nicht nur einen Schritt weiter, sondern erfüllt das Ganze mit neuem Leben.
Dieses Buch zu lesen macht nicht nur schlauer – es macht auch noch Spaß!

Horst Illmer

Hans Frey
AUFBRUCH IN DEN ABGRUND.
Deutsche Science Fiction zwischen Demokratie und Diktatur. Von Weimar bis zum Ende der Nazidiktatur 1918–1945.
Berlin, Memoranda, 2020, 530 Seiten
ISBN 978-3-948616-02-1, / Klappenbroschur

Der von Hans Frey 2018 in FORTSCHRITT UND FIASKO begonnene Versuch einer Literaturgeschichte der deutschen Science Fiction findet im Frühjahr 2020 seine Fortsetzung in AUFBRUCH IN DEN ABGRUND – DEUTSCHE SCIENCE FICTION ZWISCHEN DEMOKRATIE UND DIKTATUR. Reichten Frey für die ersten einhundert Jahre von 1810 bis zum 1.

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Love

von am 10. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Love

Stephen King
LOVE. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
(Originatitel: Lisey’s Story / 2006)
München, Heyne
April 2008 – 752 Seiten – € 10,99
ISBN: 9783453432932

Scott Landon und Lisa Debusher (genannt Lisey) waren lange Jahre verheiratet, bis Scott vor zwei Jahren viel zu früh an einer unbekannten Krankheit gestorben ist. Seither lebt Lisey in ihrem großen Haus allein und versucht über den Verlust hinwegzukommen.
Da Scott ein erfolgreicher Romanautor war, hat sie keinerlei finanzielle Probleme. Sie kämpft vielmehr damit, dass ihre Liebe zu Scott nicht nachlassen will und sein Fehlen sie fast verzweifeln lässt. Da wir es hier jedoch mit einem Roman von Stephen King zu tun haben, werden aus den emotionalen Wunden recht schnell ganz reale Klingen, Scherben und andere Schneidewerkzeuge, die dazu benutzt werden, Menschen zu verletzen.
Lisey wird plötzlich durch mehrere Katastrophen aus ihrem tranceähnlichen Trauerzustand geholt. Zum einen beginnt ihre mental verstörte Schwester Amanda nach Jahren wieder damit, sich selbst zu verletzen. Noch bevor Lisey mit ihren anderen Schwestern eine Entscheidung über Amandas weiteres Schicksal treffen kann, erreicht sie selbst der merkwürdige Drohanruf eines Mannes, der sich Zack McCool nennt und es offenbar auf Scotts unveröffentlichte Manuskripte abgesehen hat. Und in ihr selbst beginnen lange Zeit verdrängte Erinnerungen sich ihren Weg zurück ins Bewusstsein zu bahnen.
Scott und Lisa stammten beide aus Familien, deren Zusammenleben teilweise sehr von dem abwich, was man als normal bezeichnen würde. Im Laufe ihrer Beziehung sagten sie sich all diese intimen Dinge, die man eben nur seinem Partner erzählt, wobei beide offenbar doch ein paar Geheimnisse für sich behielten.
Doch die Schatten der Vergangenheit beginnen damit, sich in der Gegenwart auszubreiten: Amanda redet plötzlich in Zungen und verfällt dann in einen katatonischen Zustand, der Dozent, der hinter Scotts Papieren her war, verliert die Kontrolle über seinen „Helfer“ Zack McCool, in Liseys Briefkasten liegt eine bestialisch geschlachtete Katze – und beim Aufräumen entdeckt Lisa ein Fragment gebliebenes Manuskript ihres Gatten, mit dem er sie auf einen „Blut-Bool“ schickt. Mit diesem Begriff bezeichnete Scott ihr gegenüber die grausamen Rätselspiele seiner Kindheit. Ohne seine körperliche Anwesenheit, muss sie sich nun allein aufmachen und versuchen, das Rätsel zu lösen, bevor das Unheil erneut zuschlägt.
King gelingt es einmal mehr, mit Worten einen Sog zu erzeugen, der den Leser gefangen nimmt, seine Augen auf die Seiten des Buches bannt und ihn dazu bringt, immer weiter lesen zu wollen. Obwohl die beschriebenen Szenen manchmal fast unerträglich scheinen, gelingt es nicht, sie zu überblättern (ich hab’s durchaus versucht).
Stephen King schreibt in LOVE über die Probleme, die eine Ehe für die Beteiligten mit sich bringt, über die Folgen, die eine schlechte Kindheit für die Menschen haben kann, die sie durchleiden müssen, über die Schwierigkeiten, gleichzeitig Schriftsteller zu sein und mit normalen Menschen auskommen zu müssen – und über den unerschöpflichen und unvorstellbar schönen „Pool der Worte“, dem wir alle unsere Sprache und vor allem unsere Literatur verdanken.
LOVE ist ein Roman voller Grauen und Liebe, geschrieben von einem meisterhaften Erzähler, der auch nach über fünfzig Büchern immer noch alles für sein Publikum gibt – auch sich selbst. Ein echter King!

Horst Illmer

Stephen King
LOVE. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
(Originatitel: Lisey’s Story / 2006)
München, Heyne
April 2008 – 752 Seiten – € 10,99
ISBN: 9783453432932

Scott Landon und Lisa Debusher (genannt Lisey) waren lange Jahre verheiratet, bis Scott vor zwei Jahren viel zu früh an einer unbekannten Krankheit gestorben ist. Seither lebt Lisey in ihrem großen Haus allein und versucht über den Verlust hinwegzukommen.
Da Scott ein erfolgreicher Romanautor war,

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Sunset

von am 7. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Sunset

Stephen King
SUNSET. Erzählungen.
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner, Karl-Heinz Ebnet, Sabine Lohmann, Friedrich Mader und Hannes Riffel
(Just After Sunset / 2008)
Heyne Taschenbuch
Juli 2010 – 479 Seiten – € 9,99
ISBN: 9783453434677

Viele amerikanische Bestsellerautoren schreiben keine Kurzgeschichten. Ich bezweifele, dass das eine Geldfrage ist; Bestsellerautoren brauchen über diesen Aspekt nicht nachzudenken. Vielleicht setzt eine Art kreative Klaustrophobie ein, sobald die Welt eines hauptberuflichen Schriftstellers auf sagen wir unter 280 Seiten schrumpft. Vielleicht ist es auch nur das Talent zur Miniaturisierung, das irgendwie verlorengeht. Bei vielem im Leben mag es sich wie mit dem Fahrradfahren verhalten, aber das Schreiben von Kurzgeschichten gehört nicht dazu. Man kann vergessen, wie man es macht.
Ungeachtet der vielen Romane die Stephen King im Laufe seiner Tätigkeit als Schriftsteller vorgelegt hat, gehört er – im kollektiven Gedächtnis seiner Leserschaft zumindest – doch vom ersten Tag an zu den herausragenden Verfassern von Kurzgeschichten. Einige davon (und das Spannende dabei ist, dass es bei jedem Leser andere sind) wachsen in der Erinnerung ständig weiter, die besten schaffen es, uns über Jahre und Jahrzehnte zu beschäftigen.
Stephen King gehört also eindeutig zu den Autoren, die nicht vergessen haben, wie man Kurzgeschichten schreibt. Oder?
Nun, eigentlich hätte ich den ersten Absatz dieser Rezension in Anführungszeichen setzen müssen, denn er stammt aus dem Vorwort von Kings Geschichtensammlung SUNSET. Er schildert dann weiter, wie er in den achtziger und neunziger Jahren immer weniger Stories schrieb – und wie er es fast verlernte. Durch einen glücklichen Zufall wurde er jedoch daran erinnert, wie Stolz er einmal darauf war, Kurzgeschichten nur so aus dem Ärmel schütteln zu können. Er besann sich seiner Fähigkeiten – und das Ergebnis liegt in Form der dreizehn Geschichten in SUNSET vor uns.
Die Geschichten beschäftigen sich, wie bei King üblich, überwiegend mit schaurigen, gruseligen und manchmal phantastischen Geschehnissen, die in das Leben ganz normaler Menschen hereinbrechen und sie verändert zurücklassen. Wie zum Beispiel in „Hinterlassenschaften“, Kings ganz persönlicher Aufarbeitung des Attentats vom 11. September 2001, wo in der Wohnung von Scott Staley, einem Überlebenden des Twin-Tower-Einsturzes, plötzlich Gegenstände seiner verstorbenen Kollegen materialisieren. Die Versuche, diese „Andenken“ wieder loszuwerden, erweisen sich als ebenso schwierig, wie mit den Erinnerungen an diesen Tag klarzukommen. Doch schließlich eröffnen die gedankenlos hingeworfenen Worte einer Nachbarin einen Ausweg für Scott …
Wie groß Kings Meisterschaft in der kleinen Form der Kurzgeschichte ist, zeigt sich in „Das Pfefferkuchen-Mädchen“, der für mich besten Geschichte dieser Sammlung. Für Emily beginnt nach dem plötzlichen Kindstod ihrer Tochter eine psychische Leidenszeit, die sie erst zu bewältigen beginnt, als sie mit dem Langsteckenlaufen anfängt. Was für sie ganz allmählich zur Befreiung wird, erscheint ihrem Gatten als manisch – was letztlich zur Trennung führt. Emily zieht sich auf eine nur spärlich besiedelte Insel vor der Küste Floridas zurück und dreht dort am Strand ihre Runden. Als sie jedoch eines Tages ein Büschel blutgetränkter Haare vor dem Tor des Nachbarhauses findet, treibt sie ihre Neugier direkt in die Arme eines irrsinnigen Killers. Beim Lesen dieser Geschichte musste ich mehrmals innehalten um Luft zu holen, da es mir wortwörtlich „den Atem verschlagen“ hat.
Auch in den anderen Erzählungen beweist Stephen King sein Können. In den nachgestellten „Anmerkungen“ beschreibt er, wie es zu den einzelnen Texten kam, wann und wo sie entstanden und welche Bedeutung sie für ihn und sein Schreiben haben.
Zum Schluss übergebe ich noch einmal an Stephen King (diesmal mit Anführungszeichen): „Es hat mir Spaß gemacht, die Geschichten zu schreiben. Und solange ich weiß, wie man’s macht, werde ich weiterschreiben. Würde ich ohne Sie weiterschreiben? Ja, das täte ich wohl. Weil es mich glücklich macht. Aber mit Ihnen, treuer Leser, ist es mir lieber.“
Wir sind da, Mr. King, wir sind ja da!

Horst Illmer

Stephen King
SUNSET. Erzählungen.
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner, Karl-Heinz Ebnet, Sabine Lohmann, Friedrich Mader und Hannes Riffel
(Just After Sunset / 2008)
Heyne Taschenbuch
Juli 2010 – 479 Seiten – € 9,99
ISBN: 9783453434677

Viele amerikanische Bestsellerautoren schreiben keine Kurzgeschichten. Ich bezweifele, dass das eine Geldfrage ist; Bestsellerautoren brauchen über diesen Aspekt nicht nachzudenken. Vielleicht setzt eine Art kreative Klaustrophobie ein, sobald die Welt eines hauptberuflichen Schriftstellers auf sagen wir unter 280 Seiten schrumpft.

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Flucht

von am 6. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Flucht

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Benjamin Whitmer
Flucht
Aus dem Amerikanischen von Alf Mayer
(Escape, 2018)
Polar Verlag, Stuttgart 2020, 407 Seiten
ISBN 978-3-945133-93-4

Der Amerikaner Benjamin Whitmer schrieb die beiden bockstarken Country-Noir-Romane „Im Westen nichts“ und „Nach mir die Nacht“. Auch in seinem neuesten Werk „Flucht“ geht es wieder um Ausgestoßene und Gesetzlose, um Gewalten und Gewaltbereite – und um die Finsternis, die alle Menschen in gewissen Lebensräumen und Lebensumständen verbindet.

„Flucht“ setzt am Silvesterabend 1968 ein. Aus dem Gefängnis Old Lonesome, das vom skrupellosen Direktor Jugg kontrolliert wird und eine ganze Stadt unterhalb der Rocky Mountains vergiftet, türmen mehrere Häftlinge. Trotz eines üblen Schneesturms heften sich die brutalen Wärter, der von jedermann verachtete Fährtenleser des Knasts, die abseits lebende Cousine eines Ausbrechers und zwei vom Krieg versehrte Journalisten aus Denver an die Fersen der Flüchtigen. In Kälte und Schnee kommt es zu überraschenden, selten glimpflich oder unblutig ablaufenden Konfrontationen zwischen ihnen allen sowie der Bevölkerung im Umfeld des Gefängnisses. Denn die Häscher sind in einigen Fällen noch verkommener als die entflohenen Verbrecher …

Whitmers Roman, der einen in Ton und Stil an Jack Ketchum erinnert, wurde durch reale historische Ereignisse inspiriert – und dadurch, dass ein Freund des in Colorado lebenden Autors bei einem Konflikt mit der Polizei von einem Scharfschützen erschossen wurde. Nach der ersten Handvoll Seiten erwartet man es nicht, doch „Flucht“ ist sicher einer der fesselndsten Romane, die man dieses Jahr zu lesen bekommt. Besser kann man einerseits reißerischen und rohen, andererseits nihilistischen und zugleich tiefsinnigen Noir dieser Sorte kaum zu Papier bringen.

Christian Endres

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Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Benjamin Whitmer
Flucht
Aus dem Amerikanischen von Alf Mayer
(Escape, 2018)
Polar Verlag, Stuttgart 2020, 407 Seiten
ISBN 978-3-945133-93-4

Der Amerikaner Benjamin Whitmer schrieb die beiden bockstarken Country-Noir-Romane „Im Westen nichts“ und „Nach mir die Nacht“.

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Technophoria

von am 5. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Technophoria

Niklas Maak
TECHNOPHORIA. Roman.
München, Hanser, 2020, 280 Seiten
ISBN 978-3-446-26403-8

Architektur und Science Fiction?
Es ist eine doch eher seltene Paarung, die uns der FAZ-Redakteur und Architekturhistoriker Niklas Maak in seinem Roman TECHNOPHORIA präsentiert. Sein Protagonist Valdemar Turek gehört zur Führungsebene einer Firma, die weltweit sogenannte „Smart Cities“ aus dem Boden stampft. Ihr neuestes Vorzeige-Projekt ist die Verwirklichung eines schon vor über hundert Jahren erdachten Plans: Eine riesige Senke in der lybisch-ägyptischen Wüste mit Wasser aus dem Mittelmeer zu fluten!
Wer schon einmal mittels einer App versucht hat, ein sogenanntes „Smart Home“ in Schach zu halten, kann sich in etwa vorstellen, wie „smart“ ganze Städte funktionieren. Und wenn ein Plan in hundert Jahren mehrmals als undurchführbar aufgegeben wurde, dann wird er im Laufe der nächsten Jahre bestimmt „absolut perfekt“ funktionieren.
Niklas Maak traut sich was. Er beschreibt in TECHNOPHORIA glaubwürdig eine mögliche Zukunft aus der Sicht eines jener Menschen, die sie für uns entwerfen und bauen. Dabei versucht Maak einigermaßen objektiv, die positiven wie negativen Möglichkeiten solcher Bestrebungen zu erfassen und darzustellen. Sein Zug in die Zukunft gleicht manchmal einer aufwändig konstruierten Achterbahn, dann wieder mehr einer hypermodernen Geisterbahn, für Unterhaltung aber ist immer gesorgt.
Und das Buch-Design (innen mit vielen Bildern, außen sehr bunt, dazu ein Schutzumschlag in Form eines Kuverts) passt auch!

Horst Illmer

Niklas Maak
TECHNOPHORIA. Roman.
München, Hanser, 2020, 280 Seiten
ISBN 978-3-446-26403-8

Architektur und Science Fiction?
Es ist eine doch eher seltene Paarung, die uns der FAZ-Redakteur und Architekturhistoriker Niklas Maak in seinem Roman TECHNOPHORIA präsentiert. Sein Protagonist Valdemar Turek gehört zur Führungsebene einer Firma, die weltweit sogenannte „Smart Cities“ aus dem Boden stampft. Ihr neuestes Vorzeige-Projekt ist die Verwirklichung eines schon vor über hundert Jahren erdachten Plans: Eine riesige Senke in der lybisch-ägyptischen Wüste mit Wasser aus dem Mittelmeer zu fluten!

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Die Reise

von am 4. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für Die Reise

Marina Lostetter
Die Reise
Aus dem amerikanischen Englisch von Irene Holicki
(Noumenon, 2017)
München, Wilhelm Heyne Verlag, 2019, 558 Seiten
ISBN 978-3-453-31827-4

Wohin geht die Reise und wo endet sie?

Die Menschheit hat ein außerirdisches Artefakt um einen weit entfernten Stern entdeckt. Reggie Straifer, Wissenschaftler und einer der Entdecker des Phänomens überredet die Regierenden, eine Mission in Richtung des Sterns zu entsenden. Daher werden 9 Raumschiffe gebaut, die die lange Reise von mehreren Jahrzehnten unternehmen sollen. Geplant ist, diese ideal ausgesuchte Crew durch Klonierung in diesem Zustand zu halten. Dazu werden auf der Erde Menschen mit besonderen Persönlichkeitsmerkmalen gesucht, die auf den Raumschiffen festgelegte Positionen besetzen werden. Ihre Klone sind dann die logischen Nachfolger der jeweiligen Position.

Mit diesem Setting hat sich die Autorin in ihrem Debütroman eine Menge vorgenommen. Dabei bedient sie sich eines Kniffs, dem Roman die Komplexität zu nehmen, ohne dass darunter die Geschichte leidet. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und wird durch einen anderen Protagonisten dominiert. Dadurch erzeugt sich zudem eine gewisse Dynamik, die es dem Leser leicht macht, sich auf die Ideen der Autorin einzulassen.

Was zu Beginn nach einer klar umgrenzten Misson aussieht, entpuppt sich im Verlauf der Reise als eine wahre Odysee und endet beinahe in einem Fiasko. Bei der Rückkehr zur Erde sind dort mehr als 2000 Jahre vergangen, während es für die Crew nur knapp 120 Jahre sind. Die zudem aus Sicht der geklonten, aktuellen Besatzung nur wenige Jahre umfasste.

Die Autorin verknüpft mit ihrem Erstling die besagte Odysee mit den Problemen auf Generationenschiffen, den sich daraus ergebenden politische Verstrickungen, Sabotagen und Aufständen gepaart mit Zeitreisephänomene zu einem unterhaltsamem Mix.

Hinsichtlich der aktuellen Lage lassen sich aus meiner Sicht Verbindungen zu den „Parallelen“ festmachen. Wir befinden uns auf einer Reise, bei der wir nicht einschätzen können, wie lange diese dauert und wohin sie uns führt. So ähnlich ergeht es den Reisenden.

Auch ohne die Nähe zu den Parallelen ein lesenswerter Debütroman von Marina Lostetter.

Marina Lostetter
Die Reise
Aus dem amerikanischen Englisch von Irene Holicki
(Noumenon, 2017)
München, Wilhelm Heyne Verlag, 2019, 558 Seiten
ISBN 978-3-453-31827-4

Wohin geht die Reise und wo endet sie?

Die Menschheit hat ein außerirdisches Artefakt um einen weit entfernten Stern entdeckt. Reggie Straifer, Wissenschaftler und einer der Entdecker des Phänomens überredet die Regierenden, eine Mission in Richtung des Sterns zu entsenden. Daher werden 9 Raumschiffe gebaut, die die lange Reise von mehreren Jahrzehnten unternehmen sollen.

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American Dirt

von am 2. Mai 2020 Kommentare deaktiviert für American Dirt

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Jeanine Cummins
American Dirt
Aus dem Englischen von Katharina Naumann
(American Dirt, 2020)
Rowohlt, Hamburg 2020, 557 Seiten
ISBN 978-3-499-27682-8

Jeanine Cummins wurde als Soldatenkind in Spanien geboren, wuchs in den USA auf, studierte in Irland und lebt heute in New York City. In ihrem Roman „American Dirt“ schildert sie, wie eine mexikanische Mutter und ihr achtjähriger Sohn vor den Killern eines Kartellbosses aus Acapulco fliehen – zu Fuß sowie auf Güterzügen, was auf den Gleisen und in der Wüste, diesem „Stück binationalem Dreck“ zwischen Mexiko und den USA, oft lebensbedrohlich ist. Damit erhitzte Cummins viele Gemüter. Sie wurde der kulturellen Aneignung beschuldigt, die Diskussionen und Anfeindungen so heftig, dass die Autorin aus Sorge um ihre Sicherheit sogar eine Lesereise absagen musste.

Schade, denn „American Dirt“ ist ein sehr ordentlicher und packender Roman über die Migration an der Grenze zwischen Süd- und Nordamerika, über den Weg dorthin und über die Macht und die Brutalität der Kartelle. Und schreiben Autoren nicht seit jeher genauso über Dinge, die sie kennen, wie über Menschen, Orte und Zeiten, in die sie sich hineinversetzen? Heißt es zum Teil nicht genau das, Autor zu sein? Das als Gedanke, ohne die Wichtigkeit von ethnischer und kultureller Vielfalt auf dem Buchmarkt kleinreden zu wollen oder sie aus den Augen zu verlieren. Außerdem hat Jeanine Cummins durchaus den einen oder anderen persönlichen Bezug zum Thema, wie sie im Nachwort von „American Dirt“ schreibt.

Aber das sollte man am Besten selbst lesen. Zusammen mit dem Roman, versteht sich. Also trotz der überzogenen Debatte ruhig der Empfehlung von z. B. Stephen King und Don Winslow folgen und den spannenden, aktuellen Roman lesen, der seinen Platz an der Spitze der New-York-Times-Bestsellerliste eher verdient hat als die Kontroverse. Obwohl die den Verkaufszahlen vermutlich nicht geschadet haben dürfte …

Christian Endres

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Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Jeanine Cummins
American Dirt
Aus dem Englischen von Katharina Naumann
(American Dirt, 2020)
Rowohlt, Hamburg 2020, 557 Seiten
ISBN 978-3-499-27682-8

Jeanine Cummins wurde als Soldatenkind in Spanien geboren,

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Parallel Lines – 4

von am 30. April 2020 1 Kommentar

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr des Yushityu 2027 Mimetic-Resolution-Cartridge-View-Motherboard-Easy-To-Install-Upgrades für Infernatron/InterLace TP-Systeme für Zuhause, Büro oder Unterwegs (sic)“ (David Foster Wallace)

Sparks (The Who) / This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us (Sparks)

I get knocked down
But I get up again
You’re never going to keep me down
Pissing the night away
Chumbawamba – “Tubthumping”
(1998, vom Album TUBTHUMBER)

In dieser Session gibt es zuerst mal die „Farbenpest-Hitparade im Schnelldurchlauf“ und danach ein paar echte Katastrophen-„Oldies“ – und einen Lichtblick als „Rauswerfer“.

Nachdem im 1. Weltkrieg erstmals Giftgas in bis dahin unvorstellbaren Mengen zur größtmöglichen Schadenserzeugung eingesetzt wurde, erfuhren Chemie und Biologie eine „Aufwertung“ als literarische Themen, deren man sich nun auch in der noch jungen Science Fiction intensiver zuwandte. Aus der Flut dystopischer und apokalyptischer Erzählungen habe ich im Folgenden eine kleine „Hitparade“ der farbenfreudigsten Pandemietitel zusammengetragen.

Beginnen wollen wir mit der wohlbekannten „gelben Gefahr“, die in den 1920er Jahren jedoch noch nicht (oder nur wenig) mit China in Verbindung gebracht wurde, sondern vor allem mit dem damals aggressiv expandierenden Kaiserreich Japan. Darauf spielt auch der 1872 in Wien geborene Ludwig Anton in seinem 1922 veröffentlichten Roman DIE JAPANISCHE PEST an. Der studierte Mediziner und praktizierende Arzt schrieb Krimis, Theaterstücke und auch einige Zukunftsromane. In der JAPANISCHEN PEST soll ein deutscher Bakteriologe der japanischen Armee bei der Entwicklung einer biologischen Waffe helfen, die gegen die USA eingesetzt werden soll – allerdings stellt sich das Komplott am Ende als „Halluzination“ heraus.

Mit wesentlich höherer Qualität und Stilsicherheit überzeugt dagegen der Kurzroman THE SCARLET PLAGUE von Jack London. Das bereits 1912 erstmals veröffentlichte Werk des großen amerikanischen Abenteuer-Schriftstellers beschreibt aus der Sichtweise eines der letzten Überlebenden im Jahr 2073 den apokalyptischen Verlauf einer 2013 ausgebrochenen Pandemie, die ihre Opfer innerhalb kürzester Zeit dahinrafft und deren Kennzeichen eben eine Rotfärbung der Haut ist. Unter dem Titel DIE SCHARLACHPEST wurde die Erzählung in Deutschland erstmals um 1950 herum in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, eine Buchausgabe kam sogar erst 1976 auf den Markt. Jack Londons Post-Doomsday-Geschichte ist auch heute noch gut zu lesen und überrascht mit einigen sehr prophetischen Vorhersagen, z. B. über amerikanische Präsidenten …

Einen irre gewordenen, rachsüchtigen Molekularbiologen lässt WÜSTENPLANET-Erfinder Frank Herbert in seinem 1982 veröffentlichten Spätwerk THE WHITE PLAGUE (auf Deutsch 1984 unter dem Titel DIE WEISSE PEST erschienen) auf die Menschheit los. Dessen Versuch, einen hochaggressiven Erreger zu züchten, der von Männern übertragen wird, aber nur Frauen tötet, und diesen Erreger dann gezielt in drei Ländern zu verbreiten und die Regierungen aller übrigen Länder aufzufordern, die „befallenen“ Staaten unter Quarantäne zu stellen, geht naturgemäß komplett schief. Engagiert und kenntnisreich zerpflückt Herbert in seinem spannend geschriebenen Buch alle Argumente, die darauf hinauslaufen, Menschen aufgrund ihrer Rasse (Iren), Religion (Katholiken), Geschlechtszugehörigkeit (Männer) oder ihrer Taten (Terroristen) zu selektieren – der Mensch bleibt Mensch, egal auf welche Weise man(n) versucht, Unterschiede zu finden.

Alle diese gerade vorgestellten fiktionalen Beschreibungen zukünftiger Weltuntergänge haben den Vorteil, dass sie während des Lesens zwar einen wohligen Schauder vermitteln, nachdem das Buch aber wieder zugeklappt ist, kann man in der Realität daran mitarbeiten, solche Schreckensszenarien zu vermeiden. Ganz anders sieht es da mit historischen Berichten aus. Da erfordert es ein wesentlich tieferes Eintauchen und ein verständigeres Reflektieren des Gelesenen, um die damals realen, aber unter Umständen immer noch aktuellen Missstände zu erkennen – vor allem aber auch das, was sich seit damals zum Besseren gewandelt hat, nicht zu übersehen.

Schauen wir uns zum Beispiel mal (in Bezug auf die obigen Titel) die echte Pest an. Diese Menschheitsplage hat über Jahrtausende hinweg eine immer wiederkehrende Gefahr für den Bestand ganzer Völker gespielt. Erst nachdem die moderne Medizin die Erreger und deren Verbreitungswege erkannt und Medikamente und Impfstoffe entwickelt hatte, war eine Eindämmung der Krankheit möglich.

Ein solch furchtbarer Feind hat natürlich seine Spuren auch in der Literatur hinterlassen, in teilweise sehr erschreckenden, manchmal aber auch sehr eindringlichen Werken. Zu den auch heute noch lesenswertesten Büchern zu diesem Thema gehören zwei „Journale“ englischer Schriftsteller, die ich kurz vorstellen möchte.

Das sind zum einen DIE TAGEBÜCHER 1660– 1669, ab und zu auch als DIE GEHEIMEN TAGEBÜCHER bezeichnet, von Samuel Pepys, bei denen allein schon die Publikationsgeschichte eine eigene Erzählung wert wäre. Pepys (1633–1703) war als englischer Politiker (Abgeordneter im Unterhaus) aktiv in der Marineverwaltung und an der Spitze der Royal Society tätig. Er erlebte unter anderem die Pest-Epidemie 1665 und den großen Brand, der London 1666 innert drei Tagen zu fast achtzig Prozent zerstörte. Seine Nachlass-Bibliothek stiftete er der Bibliothek von Cambridge, die sich jedoch mehr als einhundert Jahre lang um eine Katalogisierung drückte. Erst 1818 entdeckte man dort im Rahmen der Titelaufnahme, dass zwischen den Folianten auch die TAGEBÜCHER versteckt waren, die Pepys von 1660 an etwa zehn Jahre lang führte. Die in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit entzifferte Handschrift wurde komplett transkribiert und die edierten Texte gehören inzwischen zu den wichtigsten Quellen zu den damaligen Ereignissen. Seit 2010 gibt es auch eine deutsche Übersetzung bei Haffmans/Zweitausendeins und es lohnt sich durchaus, da mal gezielt reinzulesen, z. B. in den Band, der das Jahr 1665 umfasst.

Wer danach noch weitere Informationen benötigt, wende sich einem Autor zu, der vor allem für einen gattungsbildenden Romantext bekannt ist: Daniel Defoe (1660–1731). Bis heute gehört sein 1719 veröffentlichter ROBINSON CRUSOE zu den meistgelesenen Büchern der Weltliteratur.
Im Parallelen-Kontext soll uns hier und heute jedoch sein 1722 veröffentlichtes Sachbuch A JOURNAL OF THE PLAGUE YEAR interessieren, das auf Deutsch unter dem Titel DIE PEST ZU LONDON erhältlich ist. Obwohl Defoe erst fünf Jahre alt war, als er den Ausbruch der Krankheit in London miterlebte, weckt er im Buch den Anschein einer „Live-Reportage“. Allerdings bescheinigen ihm auch führende Historiker, dass seine Recherchen wohl sehr genau und ausführlich waren (vermutlich konnte er auf Aufzeichnungen von Verwandten zurückgreifen) – und lesbarer als trockene Geschichtsbücher ist sein „Bericht“ vermutlich auch heute noch.

So, und jetzt eine knallharte Überleitung zu einem Buch, dessen Intention und Wirkung das absolute Gegenteil zum vorher Geschriebenen darstellen:

Vor fast zweihundert Jahren machte sich ein amerikanischer Utopiker (ja, sowas gab’s damals) Gedanken darüber, wie es sein könnte, wenn man sich selbstbestimmt in sein „Home Office“ begeben und dort in aller Ruhe einmal über den Gang der Welt nachsinnen könnte – um dann bei Bedarf hin und wieder kurz in die Stadt zum Einkaufen zu laufen oder an einsamen Abenden einen der seltenen Nachbarn zu besuchen und ein wenig zu schwatzen.
Die Ergebnisse seiner Überlegungen – und vor allem seines Selbstversuchs! – nannte Henry David Thoreau WALDEN, OR LIFE IN THE WOODS und veröffentlichte sie 1854 in Buchform. 1897 wurde Thoreaus Beschreibung seines etwas mehr als zwei Jahre währenden Experiments erstmals in unsere Sprache übertragen und innerhalb kürzester Zeit wurde WALDEN ODER LEBEN IN DEN WÄLDERN erstaunlicherweise zu einem immer wieder neu aufgelegten und vielgelesenen Lieblingsbuch der Deutschen.

Wie sagt es doch sein Übersetzer Franz Meyer Anfang der 1960er Jahre so treffend:

„Es hat größere Dichter und Denker gegeben, aber… Wir schlagen sein WALDEN auf: siehe – in dem dunkelklaren Waldauge, nach dem das Buch seinen Namen erhielt, spiegelt sich nicht nur das Himmelszelt mit seinen Wolken, sondern mehr: das Weltall. Die Menschenwelt mit ihrem Lärm und verwickelten Torheiten ist verschwunden, und das Leben scheint auf eine beglückend einfache Formel gebracht. Taufrisch strahlt es wie am sechsten Schöpfungstag.“

Meine Lieblingsstelle in diesem wunderlichen Buch wird auf immer jene Szene sein, in der Thoreau ausführlich erklärt, wie wichtig es ist, dass er jetzt alleine und völlig auf sich selbst gestellt die Herausforderungen der Wildnis annimmt und überwindet – und dann geht er zum Nachbarn und leiht sich eine Axt! Diese für die USA so typische Gleichwertigkeit von Utopie und Pragmatismus ist es, die einen auf entwaffnende Art und Weise immer wieder dazu bringt, diese(n) Menschen einfach zu mögen.

Song: Pink Floyd – „Wish You Were Here“ (1975, vom Album WISH YOU WERE HERE)

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr des Yushityu 2027 Mimetic-Resolution-Cartridge-View-Motherboard-Easy-To-Install-Upgrades für Infernatron/InterLace TP-Systeme für Zuhause, Büro oder Unterwegs (sic)“ (David Foster Wallace)

Sparks (The Who) / This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us (Sparks)

I get knocked down
But I get up again
You’re never going to keep me down
Pissing the night away
Chumbawamba – “Tubthumping”
(1998, vom Album TUBTHUMBER)

In dieser Session gibt es zuerst mal die „Farbenpest-Hitparade im Schnelldurchlauf“ und danach ein paar echte Katastrophen-„Oldies“ – und einen Lichtblick als „Rauswerfer“.

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Rosewater

von am 27. April 2020 Kommentare deaktiviert für Rosewater

Tade Thompson
ROSEWATER. Roman.
Band 1 der WORMWOOD-Trilogie.
Aus dem Englischen von Jakob Schmidt
(ROSEWATER / 2016)
München, Golkonda, 2020, 440 Seiten
Kartoniert, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-96509-010-1 / 20,00 €

In den letzten drei bis vier Jahren war es vor allem die Science Fiction von chinesischen Autoren, die frischen Wind in die angestaubten Ruhmeshallen der phantastischen Literatur brachte. Mit Nnedi Okorafor, N. K. Jemisin, Tomi Adeyemi und zuletzt auch Tade Thompson wirbeln jetzt afrikanisch-amerikanisch oder afrikanisch-englische AutorInnen dazwischen und erheben Anspruch darauf, dass auch der schwarze Kontinent (der bisher vor allen ein „schwarzer Fleck“ auf der Genre-Landkarte war) in der Zukunft mitmischen will.
Bei Golkonda ist soeben mit ROSEWATER der erste Band einer Trilogie erschienen, in der sich der in London von nigerianischen Eltern geborene, aber in Afrika aufgewachsene Tade Thompson damit beschäftigt, wie es in Nigeria im Jahr 2066 aussieht, nachdem dort Außerirdische einen Stützpunkt errichtet haben.
Wobei schon die Frage nicht zu entscheiden ist, ob „Wormwood“ ein einzelner, gigantischer Alien ist, oder ob und wie viele Xeno-Lebensformen unter der fast undurchdringlichen Energiekuppel leben, die sich in der Mitte Afrikas nahe des Äquators erhebt. Irgendwie müssen sich die Menschen allerdings mit dieser Situation ja einrichten, entweder weil „das Ding“ jetzt da ist, wo sie schon immer lebten, oder weil sie aus den vielfältigsten Gründen in dessen Nähe sein wollen oder müssen. In Rosewater, einer jener ungeplanten Städte, die sich aus provisorischen Zeltstädten und stetig wuchernden Blechhüttensiedlungen entwickeln, kreuzen sich jedenfalls alle diese Schicksale.
Thompson, der für seinen stilistisch ausgereiften Erstling 2019 unter anderem den Arthur C. Clarke Award erhielt, hat sich als Sprachrohr für seine Erzählung das Schlitzohr Kaaro gewählt, einen Nigerianer, der Aufgrund eines früheren Kontakts zu Wormwood über die Fähigkeit verfügt, die Gedanken anderer Menschen „lesen“ zu können. Er arbeitet deshalb für den örtlichen Geheimdienst, hat aber durchaus noch andere Interessen – und ein paar Geheimnisse, die seine Vorgesetzten nichts angehen …
Aus Kaaros Sicht erleben wir die Ankunft Wormwoods auf der Erde sowie dessen „Reise“ nach Afrika und seine Etablierung in Nigeria – erzählt mit einer mitreißenden Lebendigkeit wie man sie nur in wirklich guter Literatur findet.

Horst Illmer

Tade Thompson
ROSEWATER. Roman.
Band 1 der WORMWOOD-Trilogie.
Aus dem Englischen von Jakob Schmidt
(ROSEWATER / 2016)
München, Golkonda, 2020, 440 Seiten
Kartoniert, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-96509-010-1 / 20,00 €

In den letzten drei bis vier Jahren war es vor allem die Science Fiction von chinesischen Autoren, die frischen Wind in die angestaubten Ruhmeshallen der phantastischen Literatur brachte. Mit Nnedi Okorafor, N. K. Jemisin, Tomi Adeyemi und zuletzt auch Tade Thompson wirbeln jetzt afrikanisch-amerikanisch oder afrikanisch-englische AutorInnen dazwischen und erheben Anspruch darauf,

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Die stummen Wächter von Lockwood Manor

von am 25. April 2020 Kommentare deaktiviert für Die stummen Wächter von Lockwood Manor

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Jane Healey
Die stummen Wächter von Lockwood Manor
Aus dem Englischen von Susanne Keller
(The Animals of Lockwood Manor, 2020)
hanserblau, München 2020, 381 Seiten
ISBN 978-3-446-26600-1

Die Londoner Autorin Jane Healey wuchs in einem viktorianischen Bauernhaus auf, studierte kreatives Schreiben in New York und beschäftigte sich in ihrer Abschlussarbeit mit übersinnlichen Phänomenen in Charlotte Brontës Klassiker „Jane Eyre“ von 1847. Da scheint es nur passend, dass Healey in ihrem zweitem eigenen Roman „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ selbst auf historische und sogar auf Spukhaus-Atmosphäre setzt.

Um die Säugetiersammlung des British Museum im Zweiten Weltkrieg vor den Bombenangriffen der Deutschen zu schützen, werden die ausgestopften Tiere 1939 aus London evakuiert und auf ein altes Anwesen außerhalb der Stadt gebracht – Lockwood Manor. Die junge, unsichere Kuratorin Hetty findet schon bald heraus, dass das unheimliche alte Gemäuer und seine Bewohner – etwa der unfreundliche Major Lockwood oder dessen traumatisierte, jedoch äußerst reizende Tochter Lucy – ein paar ziemlich dunkle Geheimnisse beherbergen …

Jane Healey thematisiert in ihrem historischen Gesellschaftsroman vor allem das elitäre Klassendenken und den gnadenlosen Sexismus der damaligen Zeit. Den Ausnahmezustand des Krieges nutzt sie unterdessen, um von außen noch mehr Druck auf ihre Protagonistinnen aufzubauen, die im Inneren des Hauses eigentlich bereits genug Stress haben. Die Spannung kann mit dem schönen Schreibstil auf fast 400 Seiten zwar nicht durchgehend mithalten, ein ungewöhnlicher und allen in allem recht gelungener historischer Roman über die Ära des Zweiten Weltkriegs ist „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ aber dennoch.

Christian Endres

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Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Jane Healey
Die stummen Wächter von Lockwood Manor
Aus dem Englischen von Susanne Keller
(The Animals of Lockwood Manor, 2020)
hanserblau,

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Eine andere Welt

von am 24. April 2020 Kommentare deaktiviert für Eine andere Welt

Philip K. Dick
EINE ANDERE WELT. Roman.
Überarbeitete Neuausgabe.
Deutsche Übersetzung von Michael Nagula
Flow My Tears, The Policeman Said / 1974)
Frankfurt, Fischer, 2015, 256 S. € 9,99
ISBN: 9783596905614

Flow my tears, fall from your springs!
Exiled forever let me mourn;
Where night’s black bird her sad infamy sings,
There let me live forlorn.

(John Dowland, ca. 1600)

Jason Taverner hat ein Problem: Sein wundervolles, reiches Leben als gutverdienender Fernsehstar ist plötzlich weggewischt. Nach einem Attentat ins Koma gefallen, erwacht Taverner nicht wie erwartet im Krankenhaus, sondern in einem schäbigen Hotelzimmer.
Es ist immer noch November 1988, er hat über 5000 Dollar in bar einstecken und er kennt die Stars, die Rechtsanwälte und die Künstler-Agenten, die er immer schon kannte – nur sie kennen ihn nicht mehr. Niemand hat je eine Jason Taverner Show gesehen.
Dazu kommt, nicht nach und nach, sondern mit brutaler Plötzlichkeit, dass doch nicht alles so ist wie vor seinem Erwachen. Die USA sind zu einem Polizei- und Überwachungsstaat geworden. Ohne Ausweis ist es unmöglich, eine Arbeit zu bekommen oder zu verreisen. Auffällige Personen werden inhaftiert und ohne Umstände in Arbeitslager gesteckt. Jason fällt natürlich auf und er hat keine Papiere – und was noch schlimmer (ja eigentlich sogar unentschuldbar) ist, er existiert auch in keinem der Polizeicomputer.
Taverner sucht Bekannte und Freunde auf, die ihn jedoch nicht kennen, und so ist bald der ganze Polizeiapparat hinter ihm her. Doch es gibt immer noch Menschen, die Widerstand leisten, denen ihre Menschlichkeit und ihr Mitgefühl noch nicht abhanden gekommen ist und die bereit sind, einem Bedürftigen zu helfen.
Philip Dick erschuf mit EINE ANDERE WELT eine überzeugende und wahrlich beängstigende Antiutopie. Der Roman stellt in seinem Werk einen Übergang dar, von der fast „reinen“ Science Fiction hin zu einer mehr psychologisch-politisch orientierten, der „Mainstream“-Literatur angenäherten Prosa, in der das Phantastische seinen Platz hat, aber nur eines von mehreren Stilelementen darstellt. Wie es Brian Aldiss ausdrückte: Dick „beschreitet [ab hier] die düsteren Gassen des menschlichen Zerfalls“.
Es ist für Taverner (und damit für Dick und die Leser) keine Frage mehr, ob Drogen die Realität verändern können, sondern nur noch, ob eine Rückkehr überhaupt möglich ist.

Der Roman liegt hier als ungekürzte Neuübersetzung vor. Gegenüber der Deutschen Erstausgabe von 1977 hat sich jedoch nicht nur der Umfang vermehrt, sondern auch der Sprachduktus deutlich verändert. Michael Nagula ist wesentlich näher am Original geblieben, klingt insgesamt auch moderner und flüssiger. Die Neuausgabe von EINE ANDERE WELT in der Philip K. Dick-Edition des S.Fischer Verlags war dringend notwendig; ein solches Buch muss einfach lieferbar sein.

Horst Illmer

Philip K. Dick
EINE ANDERE WELT. Roman.
Überarbeitete Neuausgabe.
Deutsche Übersetzung von Michael Nagula
Flow My Tears, The Policeman Said / 1974)
Frankfurt, Fischer, 2015, 256 S. € 9,99
ISBN: 9783596905614

Flow my tears, fall from your springs!
Exiled forever let me mourn;
Where night’s black bird her sad infamy sings,
There let me live forlorn.

(John Dowland, ca. 1600)

Jason Taverner hat ein Problem: Sein wundervolles,

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Qube

von am 23. April 2020 Kommentare deaktiviert für Qube

Tom Hillenbrand
QUBE. Thriller.
(Aus der Welt der Hologrammatica. Band 2)
Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2020, 555 S.
KiWi-TB 1723
ISBN 978-3-462-05440-8

Hörbuch:
Gelesen von Oliver Siebeck
Ungekürzte Lesung.
Lübbe Audio
ISBN 978-3-7857-8168-5

Gut ein Jahr ist es jetzt her, dass ich an dieser Stelle den Roman HOLOGRAMMATICA von Tom Hillenbrand vorgestellt habe. Das Buch war damals als Einzelband erschienen, ohne jede Serien- oder Reihenzugehörigkeit – und für mich war das auch ganz OK.
Allerdings – und da will ich dem Autor auch gar keine Vorwürfe machen – war das „Worldbuilding“ für HOLOGRAMMATICA schon sehr aufwändig und ausgefeilt. Da ist es mehr als nur verständlich, wenn Hillenbrand diese Zukunftsvision aufrecht erhält und einen weiteren Roman dort spielen lässt. (Als Rollenspieler kann man in solcher „Ökonomie“ sicher sogar noch viel mehr Vorteile sehen als dies „gewöhnliche“ Romanleser tun.)

Jetzt also: QUBE. Das Buch ist eine direkte Fortsetzung von HOLOGRAMMATICA, setzt etwa drei Jahre nach den dort beschriebenen Ereignissen ein, und auch einige der dort bereits eingeführten Charaktere tauchen in mehr oder weniger prominenter Position wieder auf.
Sicherlich die faszinierendste Entwicklung hat Fran Bittner erfahren. War er/sie in HOLOGRAMMATICA noch eine, wenngleich wichtige, Nebenfigur, so steht Fran jetzt im Zentrum der Handlung. Allerdings gibt es auch diesmal wieder einige sehr gut herausgearbeitete neue Mitspieler, von denen der Investigativ-Journalist Calvary Doyle sicher der interessanteste ist. Zumal er gleich auf der ersten Seite erschossen wird:

„Ein geiler Arsch rettete Calvary Doyle das Leben. Doyle der im Außenbereich eines Cafés saß, gingen gerade wichtige Dinge durch den Kopf, beunruhigende, ja, welterschütternde Dinge. Aber als dieser Wahnsinnsarsch in sein Blickfeld geriet, passierte das, was ihm in solchen Fällen immer passierte: sein Verstand setzte aus. Der anonyme Arsch rettete gewissermaßen seinen. Hätte Doyle weiter geradeaus geblickt, wäre der Weg des Projektils durch seinen Schädel nämlich ein anderer gewesen …“

Und dann geht’s los, fünfhundert spannend geschriebene, actionreiche Seiten lang, über Stock und Stein (mal mehr, mal weniger von Hologrammen verborgen), in die Tiefen des Ozeans und (ja, echt) hinaus ins Weltall. Tom Hillenbrand hält wohl nichts davon, eine Idee einfach zu Tote zu reiten – da lässt er sich lieber etwas Neues einfallen.
Das Ende dieses zweiten meisterlichen Science-Fiction-Thrillers „aus der Welt der Hologrammatica“ (wie der Verlag diese Reihe – ausschließlich – auf seiner Homepage nennt) stellt mich zwar sehr zufrieden – aber eine weitere Fortsetzung wäre auch OK. 😉

Horst Illmer

Tom Hillenbrand
QUBE. Thriller.
(Aus der Welt der Hologrammatica. Band 2)
Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2020, 555 S.
KiWi-TB 1723
ISBN 978-3-462-05440-8

Hörbuch:
Gelesen von Oliver Siebeck
Ungekürzte Lesung.
Lübbe Audio
ISBN 978-3-7857-8168-5

Gut ein Jahr ist es jetzt her, dass ich an dieser Stelle den Roman HOLOGRAMMATICA von Tom Hillenbrand vorgestellt habe. Das Buch war damals als Einzelband erschienen, ohne jede Serien- oder Reihenzugehörigkeit – und für mich war das auch ganz OK.

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Broken

von am 22. April 2020 Kommentare deaktiviert für Broken

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Don Winslow
Broken
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel, Klaus Timmermann, Joannis Stefanidis, Peter Friedrich, Kerstin Fricke
(Broken, 2020)
Harper Collins Germany, Hamburg 2020, 512 Seiten
ISBN 978-3-95967-489-8

Ja, der amerikanische Krimi-Großmeister Don Winslow macht noch etwas anderes, als Präsident Trump auf Twitter in einem fort so heftig die Leviten zu lesen, dass man sich nicht wundern würde, sollte Winslow eines Tages in einem CIA-Geheimgefängnis verschwinden. Was er noch treibt, außer unermüdlich Donald Trumps Falschaussagen und Fehlentscheidungen auf Twitter zu bekämpfen? Nun, gerade erschien Don Winslows neues Buch „Broken“ auf Englisch, und parallel gleich schon in deutscher Übersetzung.

Der dicke Hardcover-Band versammelt sechs neue, längere Erzählungen von Winslow, die repräsentativ für sein Schaffen und Können stehen. Sogar Winslow-interne Crossover-Storys mit der surfenden und ermittelnden Dawn Patrol, dem alt gewordenen Draufgänger Neal Carey sowie den liebgewonnenen Dealer-Helden aus dem verfilmten Roman-Geniestreich „Savages – Zeit des Zorns“ und dessen Prequel „Kings of Cool“ gibt es. Fanservice pur! Und die Elmore-Leonard-Hommage mit dem Schimpansen, der aus dem Zoo ausbüxt und eine Knarre schwingt, ist einfach zum Niederknien lässig und gut gemacht. Spätestens da hat man die erste, etwas zu harte Story im Fahrwasser von „Corruption“ verziehen. Zum Schluss widmet sich Winslow – wie in seinem letzten finalen Keller/War on Drugs-Roman „Jahre des Jägers“ – den menschenverachtenden Zuständen an der mexikanisch-amerikanischen Grenze.

Niemand schreibt so coole, zackige und smarte Krimis wie Don Winslow. „Broken“ zeigt alle Facetten seiner Kunst und seines kalifornischen Krimi-Kosmos – und ist ein grandioses Winslow-Lesebuch für Fans, aber auch für Einsteiger.

Christian Endres

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Don Winslow
Broken
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel, Klaus Timmermann, Joannis Stefanidis, Peter Friedrich, Kerstin Fricke
(Broken, 2020)
Harper Collins Germany,

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Irrgarten des Todes

von am 21. April 2020 Kommentare deaktiviert für Irrgarten des Todes

Philip K. Dick
IRRGARTEN DES TODES. Roman.
Überarbeitete Neuausgabe.
Übersetzt von Yoma Cap u. Alexander Martin
(A Maze of Death / 1970)
FISCHER Taschenbuch
Mai 2016 – 190 Seiten – € 12,00
ISBN: 9783596905645

Auf den ersten Blick bietet Philip Dicks Roman IRRGARTEN DES TODES kaum mehr als eine Neuauflage der Stoffe, für die er berühmt ist: Scheinwelten, Realitätsverlust, Paranoia.
Allerdings trügt dieser Schein (wie kaum anders zu erwarten), da Dick immer dort zu überraschen versteht, wo man es am wenigsten erwartet.
So wird aus der Geschichte von vierzehn Freiwilligen, die sich als Forschungsteam auf den Planeten Delmak-O begeben, sehr bald eine Studie über menschliche Verhaltensweisen in Stresssituationen.
Einer nach dem Anderen müssen die Männer und Frauen erkennen, dass dieser Planet ganz und gar nicht ist, was er zu sein vorgibt. Und ihre Mitmenschen erst recht nicht. Sind sie alle nur Versuchskaninchen des Militärs, ist einer von ihnen gar ein Spitzel oder Agent provocateur, sind sie überhaupt auf Delmak-O, oder spielt sich alles in einem gigantischen Freigelände auf der Erde ab?
Während sie noch nach Antworten suchen, beginnt das Sterben. Die Todesarten variieren und werden immer bizarrer, der ohnehin nur geringe Zusammenhalt der Gruppe zerbricht völlig. Als sich in dieser Situation einer aus der Gruppe menschlich und moralisch verhält, beginnt sich die Scheinrealität von Delmak-O aufzulösen und eine gänzliche andere kommt zum Vorschein.
Dick wächst in diesem Roman über sich hinaus. Seine bisherigen Versuche, die Welt hinter der uns umgebenden Pseudorealität des kommerzgeilen und reizüberfluteten Amerikas der 1950er und 1960er Jahre zu erkunden, gelangen immer nur Einzelhelden – und waren im Erfolgsfall zumeist sehr kurzlebig. In IRRGARTEN DES TODES stellt Dick erstmals eine Gruppe von Menschen in den Mittelpunkt. Sie alle haben ihre Probleme und Schwächen, sind Einzelgänger und Spinner. Aber die Summe ist mehr als die Einzelteile vermuten lassen.
Dieser Schritt in Richtung auf eine mögliche Lösung, sei sie nun philosophischer oder religiöser Art, gelingt Dick in diesem Roman erstmals. Hier überwindet er seine eigene Verzweiflung und lässt den Leser teilhaben an einer Entdeckung, die man in seinen oftmals verzweifelt wirkenden Geschichten kaum noch erwartet hätte – es gibt wohl doch Hoffnung!
Zudem bietet IRRGARTEN DES TODES, neben seiner durchaus spannend und geradlinig erzählten SF-Story, eine weitere Bedeutungsebene an, die gerade für Erstleser des Buches überraschende Bezüge zu heutigen Autoren bietet. Lange vor William Gibson, China Miéville und M. John Harrison vermengt Dick hier Cyberspace, Psychodrogen und Elemente des New Weird zu einer gelungenen Einheit.

Horst Illmer

Philip K. Dick
IRRGARTEN DES TODES. Roman.
Überarbeitete Neuausgabe.
Übersetzt von Yoma Cap u. Alexander Martin
(A Maze of Death / 1970)
FISCHER Taschenbuch
Mai 2016 – 190 Seiten – € 12,00
ISBN: 9783596905645

Auf den ersten Blick bietet Philip Dicks Roman IRRGARTEN DES TODES kaum mehr als eine Neuauflage der Stoffe, für die er berühmt ist: Scheinwelten, Realitätsverlust, Paranoia.
Allerdings trügt dieser Schein (wie kaum anders zu erwarten), da Dick immer dort zu überraschen versteht,

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Solaris

von am 20. April 2020 Kommentare deaktiviert für Solaris

Stanislaw Lem
SOLARIS. Roman.
Ü: Irmtraud Zimmermann-Göllheim
Vorwort: Ursula K. Le Guin
(Solaris / 1961)
Ullstein Taschenbuchvlg.
April 2006 – 288 Seiten – € 11,00
ISBN: 9783548606118

Hineingeworfen! Das einzig mögliche Wort, eine Besprechung von SOLARIS zu beginnen. Genauso wie der „Held“ Kris Kelvin wird der Leser hineingeworfen in eine bereits allem Kontrollierbaren entglittene Situation.
Kelvin ist Forscher, sein Auftrag ist es, dem Planeten Solaris (nach über hundertjähriger Beobachtung durch den Menschen) weitere Geheimnisse abzugewinnen. Er begibt sich also nach monatelangem Raumflug an Bord der Forschungsstation, die in 1000 Meter Höhe über der Oberfläche des planetenumspannenden „Ozeans“ schwebt. Doch schon hierbei werden seine Erwartungen nicht erfüllt. Niemand steht zu seiner Begrüßung bereit, in der Funkzentrale findet er seinen Kollegen Snaut jämmerlich betrunken vor und auf der Suche nach den beiden anderen Forschern begegnet ihm eine riesige nackte Negerin, die jedoch keinerlei Notiz von ihm nimmt.
Snaut gibt ihm lediglich orakelhaft-unklare Warnungen vor „Gästen“ mit auf den Weg, der Physiker Sartorius weigert sich gänzlich mit ihm zu sprechen und sein Freund und Lehrer Gibarian hat wenige Stunden vor Kelvins Eintreffen Selbstmord begangen. Immer mehr solcher Momente der Unklarheit und Unsicherheit lassen den anfänglich vorhandenen Willen zur Aufklärung der Lage immer mehr schwinden.
Erst als Harey auftaucht, Kelvins Frau, die vor über zehn Jahren nach einem Streit durch eine Überdosis Medikamente ihrem Leben ein Ende setzte, beginnt sich das Dunkel zu lüften. Kelvin versucht zuerst, Hareys Anwesenheit zu vertuschen, ja er schreckt selbst vor einem Mord an seinem „Gast“ nicht zurück, nur um von Snaut zu erfahren, dass er lediglich die gleichen Probleme wie die anderen Besatzungsmitglieder hat – und dass sein „Gast“ nach einigen Stunden einfach wieder erscheinen würde.
Als Harey tatsächlich wieder da ist, beginnt eine vorsichtige Annäherung zwischen Kelvin und dem – offensichtlich vom Ozean „hergestellten“ – Artefakt. Spannender als die Versuche, die Kelvin anstellt, um mehr über die körperliche Beschaffenheit Hareys zu erfahren, sind die psychologischen Einsichten, die sich dem Leser vermitteln. Aus der anfänglich völlig verunsicherten Harey emanzipiert sich innerhalb von Wochen eine junge Frau, die als selbstständige Person geliebt werden will, die keine „Kopie“ sein will – und die doch niemals loskommt von ihren Beschränkungen als Konstrukt aus Kelvins Erinnerungen an sie. Kelvin schwankt zwischen Freude über Hareys „Wiedergeburt“ und dem Ekel vor sich selbst (weil er sie begehrt, liebt und trotzdem belügt) und vor ihr (weil sie gleichzeitig so „echt“ und fremd ist). Die menschlichen Verhaltensmuster, entstanden durch Jahrhunderttausende des Zusammenlebens, „passen“ auf einmal nicht mehr.
Das führt dazu, dass Ängste und Aggressionen entstehen, die sich teils gegen die Mitbewohner, teils gegen die „Gäste“ oder den Ozean richten. Schließlich beginnen Snaut und Sartorius an einer Vorrichtung zu arbeiten, mit der sich die Materialisationen ihrer Gedanken für immer auslöschen lassen. Kelvin will sein wiedergefundenes, wenngleich fragiles Glück mit Harey jedoch keinesfalls beenden …
Die Handlung des Romans pendelt zwischen den Erlebnissen der Akteure und stillen Passagen, in denen Reflektionen auf die Geschichte der Entdeckung und Erforschung der Solaris eingestreut sind. Dabei entwirft Lem eine ganz eigene Wissenschaft, die Solaristik, und führt den Leser gleichsam nebenher vor, wie der ganze akademische Betrieb, quasi unabhängig vom Gegenstand der Betrachtung, abläuft: Theorien, Antithesen, Geldforderungen, vermeintliche Ergebnisse und deren umgehende Widerlegung, Einmischung durch Militär und Politik und darin unbeirrbar der Wissenschaftler, der seine Arbeit tut – und Publiziert. Wie Kelvin es ausdrückt: „Es sah so aus, als sollte der Ozean von einem weiteren Ozean aus Papier zugedeckt werden.“
In diesen Kapiteln lässt Lem sein intellektuelles Feuer sprühen. Er kombiniert Biologie und Mathematik, Geologie und Physik, ja selbst metaphysisch-theologische Fragestellungen mit seinem brillanten Stil. Daraus zu schließen, die Lektüre eigne sich nur für Leser mit Hochschul-Abschlüssen in Kybernetik, Psychologie und Astronomie trifft nicht zu – vielmehr versteht es Lem, wie außer ihm nur sehr wenige SF-Autoren, seine eigenen Kenntnisse auf diesen Gebieten so darzustellen, dass ein „normaler“ Leser ihnen problemlos zu folgen vermag und zusätzlichen Genuss daraus zieht, neben einer interessanten Geschichte eine Erweiterung seines Wissenshorizontes zu erfahren.
Willkommen also auf Solaris mit seinem Ozean der Geheimnisse.

Horst Illmer

Stanislaw Lem
SOLARIS. Roman.
Ü: Irmtraud Zimmermann-Göllheim
Vorwort: Ursula K. Le Guin
(Solaris / 1961)
Ullstein Taschenbuchvlg.
April 2006 – 288 Seiten – € 11,00
ISBN: 9783548606118

Hineingeworfen! Das einzig mögliche Wort, eine Besprechung von SOLARIS zu beginnen. Genauso wie der „Held“ Kris Kelvin wird der Leser hineingeworfen in eine bereits allem Kontrollierbaren entglittene Situation.
Kelvin ist Forscher, sein Auftrag ist es, dem Planeten Solaris (nach über hundertjähriger Beobachtung durch den Menschen) weitere Geheimnisse abzugewinnen.

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Speak up

von am 18. April 2020 Kommentare deaktiviert für Speak up

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Laura Steven
Speak up
Aus dem Englischen von Henriette Zeltner
Droemr, München 2020, 351 Seiten
ISBN 978-3-426-28233-5

Die achtzehnjährige Schülerin Izzy O’Neill liebt das Schreiben von Drehbüchern, ihre besten Freunde Ajita und Danny, Süßigkeiten, ihre fürsorglich-coole Großmutter Betty und ihren Dackel Dumbledore. Obwohl sie früh ihre Eltern verlor, wuchs Izzy zu einer lebensfrohen jungen Erwachsene heran, die obendrein auf Jungs und Sex steht. Und daraus dreht man ihr im Internetzeitalter der Rachepornos einen Strick. Denn Izzys Leben wird komplett erschüttert und sie ferner übel an den Pranger gestellt und von einem epischen Shitstorm heimgesucht, als ein Blog online geht, der Sexbilder und Nacktfotos von Izzy verbreitet. Da der Sohn eines konservativen Politikers involviert ist, gehen die Story und die Bilder sogar landesweit viral …

Laura Stevens Young-Adult-Novel-Debüt „Speak up“, im englischen Original 2018 als „The Exact Opposite of Okay“ erschienen und bereits um ein Sequel reicher, ist ein furioser, famoser Beitrag zur anhaltenden Auseinandersetzung mit Sexismus, Slut-Shaming und dergleichen mehr. An Izzy und ihre rotzige, witzige Erzählstimme [samt sympathischer Meta-Kommentare in eckigen Klammern!] verliert man schon auf den ersten paar Seiten sein Herz, und daran ändert sich unterwegs auch nichts mehr. Entsprechend empört, wütend und hilflos fühlt man sich angesichts der ultrasexistischen, ultraungerechten Scheiße, mit der sie aus allen Richtungen beworfen wird und die ihr so vieles kaputt macht.

Wie ein Buch über die 50 ugly Shades of Sexism von Heute aussehen muss? Genau so. Bissig, lustig, traurig, empörend, mitreißend, gewinnend, kritisch, berührend, klug und wichtig: „Speak up“ ist ein starkes feministisches Werk und darüber hinaus ein schnittiger Pageturner von einem Roman. Je mehr ihn lesen, desto besser.

Christian Endres

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Laura Steven
Speak up
Aus dem Englischen von Henriette Zeltner
Droemr, München 2020, 351 Seiten
ISBN 978-3-426-28233-5

Die achtzehnjährige Schülerin Izzy O’Neill liebt das Schreiben von Drehbüchern,

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Der futurologische Kongress

von am 17. April 2020 Kommentare deaktiviert für Der futurologische Kongress

Stanislaw Lem
DER FUTUROLOGISCHE KONGRESS. Aus Ijon Tichys Erinnerungen.
(Kongres Futurologiczny / 1972)
Übersetzer: I. Zimmermann-Göllheim,
Suhrkamp Verlag AG
September 2004 – 144 Seiten – € 7,00
ISBN: 9783518370346

Stanislaw Lems Roman folgt einem klassischen Aufbauprinzip und teilt sich in einen humoristischen und einen tragischen Teil.
Es beginnt mit dem, in der Gegenwart angesiedelten Bericht vom „Futurolo­gi­schen Kon­gress“ in Costicana: Lustig, überbrodelnd, albern, satirisch nimmt er den Wissenschafts- und Tagungsbetrieb auf die Schippe. Manchmal bleibt das Lachen im Halse stecken, so genau ist alles getroffen.
Nachdem der Kongress durch Bürgerkriegswirren gestört wurde, springt die Handlung des zweiten Teils ins Jahr 2039: Der aus dem Kälteschlaf erweckte Ion Tichy lernt eine Welt kennen, in der eine glück­liche, friedli­che Menschheit in Wohlstand und Frieden lebt. Alle nehmen Psychopharmaka, und erst als Tichy sich der Me­di­ka­tion ver­wei­gert, fallen ihm gewisse Ungereimtheiten auf.
Wie von einer Zwiebel fallen von der Welt nun die Schalen der Subjektivität – und im­mer übler und schlimmer ist, was darunter zum Vorschein kommt.
In kei­ner anderen der klassischen Anti-Utopien wird die scheinbare Realität der­maßen gründlich zertrüm­mert; als Le­ser ist man ständig der Meinung, nun kann’s aber nicht mehr schlimmer werden – es wird!
Beendet wird das Schreckensgemälde durch das Aufwachen Tichys in der Kana­li­sation unter dem „Hilton“ in Costicana. Dort­hin waren er und seine Kongressbegleiter vor den Vorläufern jener C-Waffen, von denen er träumte, ge­flüchtet.
Ein Buch, welches eindrucksvoll Lems sprachliche Kompetenz und sein außer­ge­wöhnliches Wissen be­legt und ihn auf eine Stufe mit den wichtigsten Dystopien von Orwell und Huxley stellt. Seine stilistischen Finessen zeigen ihn auf einer Ebene mit so sprachgewaltigen Autoren wie James Joyce und Arno Schmidt.

Horst Illmer

Stanislaw Lem
DER FUTUROLOGISCHE KONGRESS. Aus Ijon Tichys Erinnerungen.
(Kongres Futurologiczny / 1972)
Übersetzer: I. Zimmermann-Göllheim,
Suhrkamp Verlag AG
September 2004 – 144 Seiten – € 7,00
ISBN: 9783518370346

Stanislaw Lems Roman folgt einem klassischen Aufbauprinzip und teilt sich in einen humoristischen und einen tragischen Teil.
Es beginnt mit dem, in der Gegenwart angesiedelten Bericht vom „Futurolo­gi­schen Kon­gress“ in Costicana: Lustig, überbrodelnd, albern, satirisch nimmt er den Wissenschafts- und Tagungsbetrieb auf die Schippe.

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Wandernde Himmel

von am 16. April 2020 Kommentare deaktiviert für Wandernde Himmel

Hao Jingfang
Wandernde Himmel
Aus dem amerikanischen Englisch von Marc Hermann
(Stray Skies, 2016)
Hamburg, Rowohlt Taschenbuch, 2018, 752 Seiten
ISBN 978-3-499-27418-3

Es ist schon etwas her, dass ich den Roman „Wandernde Himmel“ gelesen habe. Doch noch immer geht mir die Geschichte nicht aus dem Kopf. Nicht, weil es actiongeladen zugeht, revolutionäre Ideen ausgerollt werden oder eine kurzweilige Geschichte präsentiert wird. Nein. Es ist etwas ganz anderes und wird erst nach und nach deutlich.

Luoying, die Protagonisten, auf dem Mars in eine egalitäre Gesellschaft hineingeboren, nimmt mehr oder minder freiwillig an einem Schüleraustauschprogramm mit der Erde teil. Hintergrund sind dabei politische Verhandlungen um die Unabhängigkeit der Marskolonie von der Erde, die vor mehreren Jahrzehnten Siedler auf den Mars entsendet hat. Dabei haben sich die politischen Systeme der Erde und der Marskolonie in unterschiedliche Richtungen entwickelt.

Die Euphorie Luoyings bei Reiseantritt ist am Ende ihres Aufenthalts auf der Erde Ernüchterung gewichen. Die Vorfreude auf die alte Heimat hält indessen auch nicht lange an. Sie ist hin- und hergerissen zwischen ihrem alten und neuen Leben, zumal sie bei Reiseantritt noch ein Schulmädchen war und auf der Erde erwachsen werden musste, ohne dass ihre Familie ihr zur Seite stand.

Durch Luoyings Augen erleben wir beide Welten, in denen sie immer die Außenseiterin bleibt. Auf der Erde ist sie das Mädchen vom Mars, auf dem Mars ist sie „Besucherin“ von der Erde. Zudem muss sie entdecken, dass sie Teil einer politischen Intrige wurde, da ihr Großvater, einer der politische Führer des Mars, sie als Faustpfand benutzt hat und der Tod Ihrer Eltern kurz vor Ihrer Abreise, der für sie ein Grund war am Austauschprogramm teilzunehmen, ebenfalls einem politischen Komplott entsprungen ist.

Der Autorin gelingt es gut, die Fremdheit Luoyings plastisch zu schildern, ohne ins Pathetische zu verfallen. Die von Luoying empfundene Leere und ihre Suche nach sich selbst und der Gesellschaft, in der sie leben möchten bilden den Kern dieses faszinierenden Romans.

Daher passt dieser Roman aktuell in die Diskussion, die wir zwar nicht führen, aber sicherlich führen müssen, wie wir in Zukunft leben möchten. Dieser Roman liefert Anschauungsmaterial, welche grundlegenden politischen Parameter wie Einfluss auf das Zusammenleben nehmen.

Die Widerspenstigkeit Luoyings transportiert die Autorin gelungen und schafft eine ganz eigene Atmosphähre. Für mich einer der besten Romane, den ich im Jahr 2019 gelesen habe.

Hao Jingfang
Wandernde Himmel
Aus dem amerikanischen Englisch von Marc Hermann
(Stray Skies, 2016)
Hamburg, Rowohlt Taschenbuch, 2018, 752 Seiten
ISBN 978-3-499-27418-3

Es ist schon etwas her, dass ich den Roman „Wandernde Himmel“ gelesen habe. Doch noch immer geht mir die Geschichte nicht aus dem Kopf. Nicht, weil es actiongeladen zugeht, revolutionäre Ideen ausgerollt werden oder eine kurzweilige Geschichte präsentiert wird. Nein. Es ist etwas ganz anderes und wird erst nach und nach deutlich.

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Home Girl

von am 15. April 2020 Kommentare deaktiviert für Home Girl

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Alex Wheatle
Home Girl
Aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch
Kunstmann, München 2020, 254 Seiten
ISBN 978-3-95614-355-7

Die ersten drei Jugendromane des britischen Autors Alex Wheatle waren alle in Crongton angesiedelt, einem fiktiven schwarzen Viertel voller Gangs und Gewalt, das englische, amerikanische und jamaikanische Einflüsse vereint. Wheatles neuer Roman „Home Girl“, gewohnt gut von Conny Lösch übersetzt, setzt nun in Ashburton ein, direkt neben Crongton.

Diesmal geht es nicht um britische Kids, die versuchen, in der Welt der Gangs und Problemfamilien klarzukommen, sondern um Pflegekinder, deren Welt mindestens genauso hart sein kann. Ich-Erzählerin Naomi ist vierzehn Jahre alt, hat aber bereits viel Mist gesehen und erlebt. Ihre vorlaute Klappe und ihr saftiges Gefluche dienen der aufsässigen Teenagerin als Rüstung – doch jede Panzerung kann durchdrungen werden. So, wie jede neue Unterbringung mit Skepsis und Paranoia betrachtet wird. Selbst die der Pflegefamilien, die es wirklich gut mit Naomi meinen …

Der 1963 in Brixton geborene, heute in London lebende Alex Wheatle, der vor Jahren eine Zeitlang im Gefängnis saß und hier die Liebe zur Literatur entdeckte, schreibt relativ harte und sprachlich ziemlich gepfefferte Jugendbücher für die Kids von heute, die schon wissen, wo der Hase lang läuft. Doch auch erwachsene Leser mögen Wheatles Direktheit und Sprache, ob in den coolen Crongton-Büchern oder nun im frechen „Home Girl“. In dessen Kapiteln behandelt Wheatle neben ungewöhnlichen Arten von Rassismus z. B. noch die umständliche, gelegentlich irrgeleitete Bürokratie der Jugendhilfe.

Alex Wheatle ist trotz seiner Qualitäten weit davon entfernt, hierzulande ein Bestsellerautor zu sein – umso löblicher und schöner, dass der Kunstmann Verlag weiter an ihm festhält.

Christian Endres

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Alex Wheatle
Home Girl
Aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch
Kunstmann, München 2020, 254 Seiten
ISBN 978-3-95614-355-7

Die ersten drei Jugendromane des britischen Autors Alex Wheatle waren alle in Crongton angesiedelt,

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Parallel Lines – 3

von am 14. April 2020 Kommentare deaktiviert für Parallel Lines – 3

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Der Druckfrisch-Probepackung“ (David Foster Wallace)

Amazing Journey / Amazing Stories (The Who / John W. Campbell Jr.)

Die US-amerikanische Romanistin Ursula Kroeber Le Guin pflegte zu Beginn ihrer Essays häufig einen Blick in das „Buch der Bücher“ (UKLG) zu werfen, womit sie natürlich das OXFORD ENGLISH DICTIONARY (OED) meinte. Wir wollen uns an dieser Stelle mit dem „alt’n“ und „unvergleichlichen“ (Arno Schmidt) MURET-SANDERS von 1901 begnügen und einmal unter „amazing“ nachsehen, welche Bedeutungen wir im „Enzyklopädischen Wörterbuch“ angeboten bekommen. Es sind dies: „höchst erstaunlich“, „staunenswert“ und „wunderbar“ – aber auch „erschreckend, betäubend, schrecklich“ (wenngleich bereits damals als „veraltet“ gekennzeichnet).

Dies immer mitgedacht, wollen wir heute einmal einen Blick in drei sehr unterschiedliche Bücher werfen, deren geheime Zentren mehr „erschreckende“ als „wunderbare“ Geschichten über das Reisen in „höchst erstaunlichen“ Zeiten sind.

„Ein bösartiges Virus, das im Fernen Osten sein Zerstörungswerk beginnt, dann aber auch auf Indien, die Sowjetunion und Westeuropa übergreift, vernichtet sämtliche Gras- und Getreidesaaten, so daß der Hunger sich zum Herrn erhebt und alle moralischen Schranken niederreißt.“
So hebt der Klappentext der deutschen Erstausgabe von John Christophers Roman DAS TAL DES LEBENS an, der 1959 als Hardcover im Verlag der Gebrüder Weiss veröffentlicht wurde. Die Originalausgabe erschien im United Kingdom bereits 1956 unter dem exakt konträren Titel THE DEATH OF GRASS.
Ob das Glas nun halbvoll oder halbleer ist, hängt für die Protagonisten des Buches vor allem davon ab, auf welcher Seite der Palisade sie am Ende stehen. Denn die eine Gruppe hat sich in ein abgelegenes Tal gerettet, in dem ein kluger Landwirt Rüben und Kartoffeln anbaut, während sein Bruder mit Familie und einigen Zufallsbekanntschaften zu einer Schreckensodyssee von London aus nach Norden aufbricht. Als die Überlebenden nach verlustreichen Kämpfen dann am Tor ankommen, ist die „Arche voll“ – und die Brüder müssen, jeder für sich, ihre schwerste Entscheidung treffen …

Wie ein echter Schelmenroman wirkt dagegen auf den ersten Blick Arno Schmidts fast zeitgleich entstandener „Kurzroman aus den Roßbreiten“, der 1957 unter dem Titel DIE GELEHRTENREPUBLIK veröffentlicht wurde. In der mehr als fünfzig Jahre in die Zukunft versetzten Erzählung erhält der amerikanischer Journalist Charles H. Winer die (selten erteilte) Erlaubnis zur „International Republic of Artists and Scientists“ (IRAS, oder eben: „Gelehrtenrepublik“) zu reisen und eine „Homestory“ über deren von der Weltgemeinschaft alimentierte „Besatzung“ aus internationalen Künstlern und Forschern zu machen.
Bereits die Anreise wird jedoch schon ein Abenteuer eigener Qualität, erfolgt sie doch per Ballonflug über den sogenannten „Hominidenstreifen“, ein riesiges, atomverseuchtes Areal inmitten der alten USA, das von zwei gigantischen Mauern eingeschlossen ist und von Tier-Mensch-Mutanten bewohnt wird, mit denen jeder Umgang strengstens untersagt ist. Nachdem Winers Ballon dort notlanden muss, kommt er allerdings ungewollt in sehr direkten (und teileweise auch sehr intimen) Kontakt mit den dort lebenden Zentauren. Nur ihnen ist es zu verdanken, dass Winer überlebt und seine Reise fortsetzen kann. Nicht ohne zuvor jedoch intensiv von Militärwissenschaftlern befragt zu werden, die ihre Chance wittern, mehr über das Leben im Reservat zu erfahren. Unterdessen erkennt Winer, dass hier von skrupellosen Biogenetikern versucht wird, die nach dem Atomkrieg entstandenen „wilden“ Mutationen und Hybridwesen zu zähmen und zu züchten, um „Biowaffen“ zu erzeugen.
Auf der IRAS angekommen braucht Winer nicht allzu lange, um herauszufinden, dass auch in einer „Gelehrtenrepublik“, dieser scheinbar zivilisiertesten aller Gesellschaften, der Schein trügt. Die in zwei politische Lager geteilte schwimmende Insel, auf der die IRAS-Bewohner durch die Weltmeere schippern, ist nur ein weiteres „Labor“, in dem zum Beispiel Sportler mittels Bioengineering zu Höchstleistungen gebracht und sogar die Gehirne von Genies von den jeweils gegnerischen Geheimdiensten „geklaut“ (und in Hunde- bzw. Pferdeköpfen zwischengelagert) werden.
Bei Schmidt liest sich das zuerst einmal sehr unterhaltsam, bis man dann merkt, welche Schrecken unter dieser obersten Erzählschicht liegen. Zutiefst pessimistisch ist Schmidts Erkenntnis, dass sich die alteingefahrenen Muster von Machtmissbrauch und Schwarz-Weiß-Denken, von skrupellosem Gewinnstreben und naivem Obrigkeitsglauben auch durch die schrecklichste damals vorstellbare Katastrophe eines Atomkriegs nicht ändern werden.
So hält uns einer der sprachmächtigsten und klügsten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts in dieser Parabel erneut einen SCHWARZEN SPIEGEL (siehe die gleichnamige Erzählung aus dem Jahr 1951) vor.

Ein Virus, das eine weltweite Pandemie auslöst, ein Atomkrieg, der den „Nuklearen Winter“ nach sich zieht, ein Kometeneinschlag, der Klimawandel – lauter Großereignisse, die sich zu spannenden Geschichten machen lassen.
Und dann gibt es da noch die ganz wenigen AutorInnen, die sich ohne viel Lärm zu machen, mit den ganz kleinen „Dingen“ beschäftigen. Wie zum Beispiel mit Bienen.
Das moderne, nicht-mythisch-märchenhafte Bild der Insektenwelt wurde, neben der von Charles Darwin formulierten Evolutions-Theorie, vor allem durch die naturkundlichen Bestimmungsbücher Alfred Brehms geprägt, die ab 1863 in mehreren Auflagen unter dem Titel BREHMS TIERLEBEN erschienen. Den folgenden Abschnitt habe ich dort gefunden und fand ihn einfach so schön, dass ich ihn hier kurz hinsetzen muss:

„Die Bienen leben in einem wohlgeordneten Staate, in welchem die Arbeiter das Volk, ein von diesem erwähltes, fruchtbares Weibchen die allgemein geliebte und gehätschelte Königin (auch Weisel genannt) und die Männchen die wohlhäbigen, vornehmen Faulenzer darstellen, die unumgänglich nötig sind, aber nur so lange geduldet werden, als man sie braucht. Diese Einrichtung ist darum so musterhaft, weil jeder Teil an seinem Platze seine Schuldigkeit im vollsten Maße thut, will keiner mehr oder weniger sein will als das, wozu ihn seine Leistungsfähigkeit bestimmt.“
Artikel „Die gemeines Honigbiene, Hausbiene (Apis mellifica)“, in: BREHMS TIERLEBEN. Allgemeine Kunde des Tierreichs. 3. Auflage, 1892, Seite 218 f.

Ach ja. Seufz. RIESENSEUFZER!

Das waren noch Zeiten. Kurz darauf, im Jahr 1912, erfuhr das Thema „Biene“ dann seine ultimative literarische Ausformung, als die erste Auflage von Waldemar Bonsels Kinderbuch DIE BIENE MAJA UND IHRE ABENTEUER in die Buchhandlungen kam und innerhalb kürzester Zeit einen beispiellosen Siegeszug um die Welt antrat.

Die Science-Fiction-Variante der Roboter-Bienen hatte ihren Auftritt dann 1957 (als Charles Henry Winer von Arno Schmidt in die Rossbreiten geschickt wurde) in Ernst Jüngers Roman GLÄSERNE BIENEN. Wie häufig bei Jünger wird ein hochmoderner, zukunftsweisender Aspekt in einer hochliterarischen Sprache voller altfränkischer Einsprengsel vorgeführt, die ihren ganz eigenen Sog erzeugt (oder für manche Leser einfach abschreckend wirkt).

Das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt war dann schließlich die 2015 von der norwegischen Autorin Maja Lunde veröffentlichte BIENES HISTORIE, die 2017 bei uns unter dem Titel DIE GESCHICHTE DER BIENEN erschien.
In drei hervorragend durchkonstruierten Erzählsträngen verbindet Lunde die Geschichte dreier Familien miteinander, deren Schicksale in England (1852), den USA (2007) und China (2098) jeweils sehr eng in Verbindung stehen, mit dem der Honigbienen – die in der Vergangenheit zuverlässige „Haustiere“ abgaben, in der Gegenwart vom Aussterben bedroht sind und in der Zukunft auch durch den Einsatz „bienenfleißiger“ Menschen nicht wirklich ersetzbar sind.
Natürlich war es Zufall, dass hierzulande damals gerade eine Volksabstimmung über die Verankerung des Umweltgedankens in der Verfassung stattfand – aber der Slogan „Rettet die Bienen“ und Maja Lundes Buch halfen sicherlich mit, das für den Umweltschutz so wichtige positive Ergebnis der Abstimmung zu erreichen.

Soweit für heute. Unsere „amazing journey“ hat uns zu gleichermaßen wunderbaren wie erschröcklichen Büchern geführt, voll mit Geschichten, die „des Staunens wert“ sind – und an deren Ende viele weiter AMAZING STORIES auf uns warten.

Song: Blue Öyster Cult – „Don’t Fear the Reaper” (1976, vom Album AGENTS OF FORTUNE)

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Der Druckfrisch-Probepackung“ (David Foster Wallace)

Amazing Journey / Amazing Stories (The Who / John W. Campbell Jr.)

Die US-amerikanische Romanistin Ursula Kroeber Le Guin pflegte zu Beginn ihrer Essays häufig einen Blick in das „Buch der Bücher“ (UKLG) zu werfen, womit sie natürlich das OXFORD ENGLISH DICTIONARY (OED) meinte. Wir wollen uns an dieser Stelle mit dem „alt’n“ und „unvergleichlichen“ (Arno Schmidt) MURET-SANDERS von 1901 begnügen und einmal unter „amazing“ nachsehen,

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Stein und Flöte und das ist noch nicht alles

von am 13. April 2020 Kommentare deaktiviert für Stein und Flöte und das ist noch nicht alles

Bemmann, Hans
STEIN UND FLÖTE UND DAS IST NOCH NICHT ALLES.
Ein Märchen-Roman.
Stuttgart, Edition Weitbrecht, 1983, 821 S.
Neuauflage:
München, Piper, 2020, 944 Seiten
ISBN 978-3-492-28230-7

Einem Buch wie diesem mit einer Rezension gerecht zu werden ist schlicht unmöglich. Deshalb, mit einem Wort:

WUNDERSCHÖN!

Horst Illmer

Bemmann, Hans
STEIN UND FLÖTE UND DAS IST NOCH NICHT ALLES.
Ein Märchen-Roman.
Stuttgart, Edition Weitbrecht, 1983, 821 S.
Neuauflage:
München, Piper, 2020, 944 Seiten
ISBN 978-3-492-28230-7

Einem Buch wie diesem mit einer Rezension gerecht zu werden ist schlicht unmöglich. Deshalb, mit einem Wort:

WUNDERSCHÖN!

Horst Illmer

Die Mauer

von am 12. April 2020 Kommentare deaktiviert für Die Mauer

John Lanchester
Die Mauer
Aus dem englischen von Dorothee Merkel
(The Wall, 2019)
Stuttgart, Klett-Cotta Verlag, 2019, 528 Seiten
ISBN 978-3-608-96391-5

Romantitel haben die Tendenz, den Leser in die Irre zu führen. „Die Mauer“ nicht. John Lanchester beschreibt eine postapokalyptische Welt, in der sich Britannien hinter einer soliden Betonmauer verschanzt hat und alle Fremden durch Mauerwächter von seinen Grenzen fernhält.
Der Ich-Erzähler beginnt seine Geschichte mit dem ersten Tag seiner zweijährigen Dienstpflicht auf der Mauer, die jeder Einwohner Britanniens absolvieren muss.
Wie es zu dieser Abschottung kam, wird nicht weiter ausgeführt und ist der Qualität des Romans nicht abträglich. Vielmehr steht im Vordergrund wie die Mauer das Denken der Bewohner hinter und auf der Mauer beeinflusst und was es mit den Menschen macht, die nicht in der glücklichen Lage sind, in Britannien aufzuwachsen.
Ein sehr dichter, düsterer Roman, der mehr als deutlich macht, wie armselig Menschen werden, wenn sie sich von der Welt abschotten. Wie kleingeistig sie sind und was der Staat tun muss, damit seine Bürger nicht rebellieren.
In der im Roman herrschenden Diktatur werden die Bürger permanent überwacht, Fehler auf der Mauer werden mit Verbannung bestraft. Die Generation der Mauerwächter kennt nichts anderes und nimmt daher alles als einzige Wahrheit, was zu einer Widerspruchslosigkeit führt und damit für den Leser umso erschreckender ist.
Lanchester ist ein düsterer Roman in der Tradition Orwells und Huxleys gelungen, in der der einzelne nichts zählt und die Absurdität des Regimes sich dann zeigt, wenn man nicht mehr Teil davon ist.

John Lanchester
Die Mauer
Aus dem englischen von Dorothee Merkel
(The Wall, 2019)
Stuttgart, Klett-Cotta Verlag, 2019, 528 Seiten
ISBN 978-3-608-96391-5

Romantitel haben die Tendenz, den Leser in die Irre zu führen. „Die Mauer“ nicht. John Lanchester beschreibt eine postapokalyptische Welt, in der sich Britannien hinter einer soliden Betonmauer verschanzt hat und alle Fremden durch Mauerwächter von seinen Grenzen fernhält.
Der Ich-Erzähler beginnt seine Geschichte mit dem ersten Tag seiner zweijährigen Dienstpflicht auf der Mauer,

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Der letzte seiner Art

von am 11. April 2020 Kommentare deaktiviert für Der letzte seiner Art

Andreas Eschbach
DER LETZTE SEINER ART. Roman.
Bastei-Lübbe Taschenbücher
Mai 2005 – 352 Seiten – € 8,99
ISBN: 9783404153053

Andreas Eschbach ist einer der wenigen Verfasser utopisch-phantastischer Literatur, dessen Namen allein ausreicht, ein Buch zu verkaufen. Zudem ist es Eschbach auch noch gelungen, den sonst so unerbittlichen Klammern der Genreliteratur zu entkommen. Von Beginn an hat er sich den „Schubladen“ verweigert, auf die man ihn festlegen wollte. Niemals war er „nur“ Science Fiction-Autor oder Krimischreiber. Sein Blick über den Tellerrand, seine Offenheit für literarische „Crossover“ waren es, die ihn sowohl populär und gleichzeitig interessant für das Feuilleton machten.

Diese thematische Ungezwungenheit ist es auch, die den Reiz seines Romans DER LETZTE SEINER ART ausmacht. Es ist eine gelungene Collage aus Agentenstory, Politthriller und technischer Fantasie, gemixt mit einem sehr großen Schuss Melancholie.
Wenn es neben „routinierter Langeweile“ nämlich eines Begriffes zur Beschreibung des Seelenzustandes von Duane Fitzgerald bedürfte, wäre „Melancholie“ das einzig richtige Wort.
Er ist ein Soldat, der noch vor Erreichen seiner besten Jahre in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Er ist scheu und zurückgezogen, teils aus eigenem Antrieb, teils aber auch, weil er zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet wurde. Die Geheimnisse, die er mit sich herumträgt, sind geeignet, ganze Regierungen zu stürzen und diverse Militäraktionen der letzten Jahrzehnte in völlig neuem Licht erscheinen zu lassen.
Über zehn Jahre ist auch alles gut gegangen: Fitzgerald hat sich, nach seiner Pensionierung vom US-Militär, eine neue Zuflucht in der Heimat seiner Vorväter, in Irland gesucht. Das kleine Städtchen Dingle an der Atlantikküste war gerade richtig für ihn. Ein kleines Häuschen, nette Nachbarn, die ihn in Ruhe ließen, eine Post, eine Bank, ein Einkaufszentrum – eben alles, was ein Mensch, der anonym bleiben will und dennoch auf nichts verzichten muss, so braucht.
Doch plötzlich ist es vorbei. Erst taucht ein mysteriöser Japaner auf, der überall nach Duane fragt, dann wird dieser in seinem Hotelzimmer ermordet. Danach findet Fitzgerald keine Ruhe mehr. Seine wöchentlichen Spezialpakete bleiben aus, seine Kreditkarte wird gesperrt, und überall laufen auf einmal Männer in schwarzen Anzügen und mit einem Handy am Ohr herum. Duane kommt sich vor wie ein Kaninchen in der Falle – und die Schlinge zieht sich immer enger.
Gekonnt und stilsicher beschreibt Eschbach den inneren Kampf, der in Duane entbrennt, zwischen Loyalität zur Truppe, zum geleisteten Eid und dem Wunsch, die in ihm schlummernde Kampfmaschine ein letztes Mal zum Leben zu erwecken.

Horst Illmer

Andreas Eschbach
DER LETZTE SEINER ART. Roman.
Bastei-Lübbe Taschenbücher
Mai 2005 – 352 Seiten – € 8,99
ISBN: 9783404153053

Andreas Eschbach ist einer der wenigen Verfasser utopisch-phantastischer Literatur, dessen Namen allein ausreicht, ein Buch zu verkaufen. Zudem ist es Eschbach auch noch gelungen, den sonst so unerbittlichen Klammern der Genreliteratur zu entkommen. Von Beginn an hat er sich den „Schubladen“ verweigert, auf die man ihn festlegen wollte. Niemals war er „nur“ Science Fiction-Autor oder Krimischreiber.

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H.P. Lovecraft – Leben und Werk

von am 9. April 2020 1 Kommentar

Joshi, S. T.
H. P. LOVECRAFT – LEBEN UND WERK. Band 1: 1890–1924.
Deutsch von Andreas Fliedner
Vorbemerkung von Michael Siefener
(I AM PROVIDENCE. THE LIFE AND TIMES OF H. P. LOVECRAFT / 2010)
München Berlin, Golkonda, 2017, 734 S.
ISBN 978-3-944720-51-7 / 39,90 €

H. P. LOVECRAFT – LEBEN UND WERK. Band 2: 1925–1937.
München, Golkonda, 2020, 669 S.
ISBN 978-3-944720-52-4 / 39,90 €

S. T. Joshi, in den letzten dreißig Jahren die treibende Kraft im Bemühen, H. P. Lovecrafts Leben und Werk zu erschließen, hat im Jahr 2010 eine Biografie, ach, was sage ich: DIE BIOGRAFIE auf die alle Lovecraft-Leser gewartet haben veröffentlicht.

Zwar gab es schon vor Joshis Buch einige Versuche, Lovecrafts irdisches Dasein aufzubereiten, aber außer den leicht zu ermittelnden Rahmendaten blieben doch allzu viele Fragen ungeklärt. Die bis dato erfolgreichste – und umstrittenste – Veröffentlichung war LOVECRAFT – A BIOGRAPHY aus dem Jahr 1975, geschrieben von Lyon Sprague de Camp (1907–2000), einem Autor, der nicht nur Zeitgenosse war, sondern auch durch die Herausgabe von Robert E. Howards CONAN-Texten tiefere Einblicke in das Beziehungsgeflecht des „Lovecraft-Zirkels“ gewonnen hatte.

Es war dieses Buch, das Joshi dazu reizte, sich näher mit dem sonderbaren Schriftsteller aus Providence zu beschäftigen, was ihn in der Folgezeit zum weltweit führenden Lovecraft-Fachmann machte. Nach jahrzehntelangen Forschungen erschien 1996 dann H. P. LOVECRAFT. A LIFE, das trotz seiner mehr als 700 Seiten als „gekürzte“ Ausgabe gilt. Erst 2010, in dem überarbeiteten, nunmehr 1200 Seiten umfassenden, zweibändigen Werk I AM PROVIDENCE. THE LIFE AND TIMES OF H. P. LOVECRAFT, konnte S. T. Joshi erstmals das gesamte Material vorlegen, das er angehäuft hatte.
Im Golkonda Verlag erscheint diese spektakuläre Biografie unter dem Titel H. P. LOVECRAFT – LEBEN UND WERK in der deutschen Übersetzung von Andreas Fliedner, ebenfalls in zwei Teilen.

Der „Band 1: 1890–1924“ nimmt vor allem die Wurzeln Lovecrafts, seine frühen Schreibversuche und die Zeit seines literarischen Erwachens unter die Lupe. Das beginnt mit der Suche nach Vorfahren, reicht über die merkwürdig-komplizierten Familienverhältnisse und die Krankengeschichten direkter Verwandter bis zu Lovecrafts Entwicklung eigener Symptome und Seltsamkeiten.

Am Ende des ersten Teils von H. P. LOVECRAFT – LEBEN UND WERK sehen wir den „Einsiedler von Providence“ verstrickt in eine eigentlich unmöglichen Ehe und gemeinsam mit seiner Frau Sonia Greene unfassbarer Weise nach New York umgezogen. Und, wie Joshi es in einem genialem Cliffhanger formuliert, „wenn Lovecraft dachte, dass 1924 ein hartes Jahr für ihn gewesen sei, dann nur, weil er noch nicht wusste, was 1925 auf ihn zukommen sollte.“ (S. 682)

Damit startet in „Band 2: 1925–1937“ der Berichtszeitraum, der die letzten zwölf Lebensjahre – die zugleich die produktivsten waren und die bedeutendsten Ergebnisse zeitigten – umfasst.
Natürlich ist es mit Sonja Greene und New York nicht gut ausgegangen, und so scheidet HPL von Beiden und kehrt zurück in seine Heimatstadt Providence. Ein Ereignis, dass Joshi unter der Rubrik „Rückkehr ins Verlorene Paradies“ verzeichnet. Beginnend mit „Cthulhus Ruf“ schreibt Lovecraft nun alle seine inzwischen zu Klassikern gewordenen Geschichten, ebenso den großen Essay „Das übernatürliche Grauen in der Literatur“, der die Phantastik-Rezeption in den USA auf Jahrzehnte prägte. Natürlich werden auch seine prekären Lebensumstände und seine mit grässlichen Schmerzen verbundenen letzten Wochen (HPL starb am 15. März 1937) nicht ausgespart, und im letzten Kapitel rekapituliert Joshi noch einmal das Phänomen des postmortalen Welterfolgs seither.

Joshi stützt sich in seiner Biografie nicht nur auf seine umfassende Einsicht in den wohl umfangreichsten literarischen Briefwechsel eines nordamerikanischen Autors, sonder auch auf eine philologisch ungewöhnlich tiefgehende Parallelsetzung von Autor und Werk, die indes jederzeit begründet und belegt wird. Im Anhang findet sich dazu eine sehr umfangreiche Literaturliste und natürlich erschließen sich die Bände über gleich mehrere Register.

Die beiden Bücher, obwohl nicht illustriert, sind sowohl optisch als haptisch ein Genuss: Das Layout, das Susanne Beneš (aka „benswerk“) für Schutzumschlag und Bucheinband maßgeschneidert hat, ist ebenso stimmig wie der von Hardy Kettlitz erstellte Satz lesbar ist – und die jeweils zwei goldgelben Lesebändchen machen die Sache wunderschön „rund“.

Wie fragt sich Michael Siefener in seiner „Vorbemerkung“ im ersten Band in Bezug auf H. P. Lovecrafts Bedeutung als Autor phantastischer Literatur dann auch so schön provokativ: „braucht man deshalb gleich eine zweibändige Biografie über ihn?“ (S. I), bevor er uns teilhaben lässt an einem äußerst unterhaltsamen Streifzug durch jene letzten fünfzig Jahre Lovecraft-Lektüre, in denen wir „doch gar nichts“ hatten, wenn wir etwas über diesen Schriftsteller erfahren wollten. Sein Fazit: „Zumindest die zeitgenössischen Entdecker von Lovecrafts Werken können also nicht mehr behaupten: `Wir haben ja gar nichts´ wenn sie abseits der oft zweifelhaften Quellen des Internets nach verlässlichen Informationen über das Leben Lovecrafts suchen. Hier sind sie.“ (S. V)

Horst Illmer

Joshi, S. T.
H. P. LOVECRAFT – LEBEN UND WERK. Band 1: 1890–1924.
Deutsch von Andreas Fliedner
Vorbemerkung von Michael Siefener
(I AM PROVIDENCE. THE LIFE AND TIMES OF H. P. LOVECRAFT / 2010)
München Berlin, Golkonda, 2017, 734 S.
ISBN 978-3-944720-51-7 / 39,90 €

H. P. LOVECRAFT – LEBEN UND WERK. Band 2: 1925–1937.
München, Golkonda, 2020, 669 S.
ISBN 978-3-944720-52-4 / 39,90 €

S. T. Joshi,

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Power

von am 8. April 2020 Kommentare deaktiviert für Power

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Verena Güntner
Power
DuMont, Köln 2020, 254 Seiten
ISBN 978-3-8321-8369-1

„Power“, der zweite Roman der 1978 in Ulm geborenen, heute in Berlin lebenden Theaterschauspielerin und Schriftstellerin Verena Güntner („Es bringen“), beginnt wie eine typische Außenseitergeschichte.

Diese handelt zunächst vor allem von Kerze, dem andersartigsten, absonderlichsten und eigensinnigsten, aber auch stärksten und unabhängigsten Mädchen des Dorfes. Kerze glaubt Gespenster sehen zu können und folgt in all ihrem Tun einer zweifellos neurotischen, allerdings zugleich selbstsicheren Methodik. Insofern ist Kerze zwar wirklich eine unangepasste Außenseiterin, aber eben eine von der Sorte, die vor offensivem Selbstbewusstsein nur so strotzt.

Als der Terrier namens Power ihrer unsicheren älteren Nachbarin verschwindet, macht Kerze sich auf die Suche nach dem Hund. Mit Beginn der Sommerferien schließen sich ihr nach und nach alle Kinder des ohnehin schon ausblutenden Dorfes an, verschwinden im unheimlichen Wald und leben dort wochenlang wie ein verwildertes Hunderudel nach ihren eigenen Regeln und Ritualen. Die Erwachsenen können Kerze und die anderen nicht erreichen und halten lieber in ihrer Mitte nach einem Sündenbock für diese bizarre Wendung im vergifteten Alltag und Gefüge des Orts Ausschau.

Letztlich handelt diese märchenhaft surreale, düstere und bedrohliche Geschichte in erster Linie von Entfremdung und Eskalation: zwischen den Generationen, zwischen den Menschen allgemein. Oder wie es in „Power“ an einer Stelle heißt: ‚Die Realität ist echt ein krass unrealistisches Konstrukt’. Ein merkwürdiges, jedoch fesselndes, intensives und durchgehend stark formuliertes Büchlein – mit wunderbar vielen Ecken und Kanten für gerade mal 250 Seiten.

Christian Endres

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Verena Güntner
Power
DuMont, Köln 2020, 254 Seiten
ISBN 978-3-8321-8369-1

„Power“, der zweite Roman der 1978 in Ulm geborenen, heute in Berlin lebenden Theaterschauspielerin und Schriftstellerin Verena Güntner („Es bringen“),

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Rumo

von am 7. April 2020 Kommentare deaktiviert für Rumo

Walter Moers
RUMO & DIE WUNDER IM DUNKELN.
Ein Roman in zwei Büchern.
Illustriert vom Autor.
Piper Verlag GmbH
August 2004 – 704 Seiten – € 14,00
ISBN: 9783492241779

Stellt euch einen Schrank vor!
Ja, einen großen Schrank mit vielen Schubladen,
der alle Wunder und Geheimnisse Zamoniens enthält,
restlos alle, alphabetisch geordnet.
Ein Schrank, schwebend in absoluter Dunkelheit.
Könnt ihr euch das vorstellen?
Gut! Nun seht, wie sich eine dieser Schubladen öffnet!
Die mit dem Buchstaben R.
R wie Rumo.
Und jetzt schaut hinein! Schaut tief hinein!
Bevor sie sich wieder schließt.

Wieder einmal entführt uns Walter Moers in die von ihm erschaffene Zauberwelt Zamonien. Hier haben die alten Mythen und Sagen ihren Ursprung, die Märchen und Fabeln unserer Kinderzeit sind hier lebendig; Zamonien ist das Paradies für die Phantasie.
Viele der von Moers hier verwendeten Figuren und Völker finden sich schon in den Vorgänger-Romanen DIE 13 ½ LEBEN DES KÄPT’N BLAUBÄR und ENSEL & KRETE, doch auch Leser, die mit diesem Buch „einsteigen“, finden sich mühelos zurecht. Moers ist ein Meister der Abschweifung und so bekommt sowieso jede „erklärungsbedürftige Lebensform“ eine Geschichte verpasst.
Der eigentliche Held der Geschichte ist natürlich Rumo, ein verwaister Wolpertinger, der nach ersten abenteuerlichen Erlebnissen auf den Teufelsfelsen in die Zivilisation der Stadt Wolperting gelangt und dort seinen Platz im Leben sucht. Doch noch bevor er ihn recht findet, geschieht Unfassbares: Alle Einwohner der Stadt werden in das unterirdische Reich „Untenwelt“ entführt. Nun erst kann Rumo zeigen, was alles in ihm (und in seinem „zwiespältigen“ Schwert) steckt …
Moers versprüht in seinem Roman jede Menge Humor, Satire, Sprachwitz und stilistische Eleganz. Sein Erfindungsreichtum scheint keine Grenzen zu kennen, und so fügt sich der Vielzahl skurrilster Einfälle, die den Kontinent Zamonien recht eigentlich ausmachen, eine große Anzahl neuer Entdeckungen hinzu – Dinge, die bisher unter der Oberfläche ruhten und von denen einige wohl auch besser nicht aufgescheucht worden wären.
Obwohl am Ende die glückliche Heimkehr des Helden die Geschichte zu einem versöhnlichen Abschluss bringt, ist RUMO & DIE WUNDER IM DUNKELN an vielen Stellen auch ein düsteres Buch. Moers lässt seine Figuren nicht mehr so glücklich und ungeschoren davon kommen, wie noch in den ersten Bänden, die Abenteuer werden grausamer und bluttriefender, vor allem für die eigentlich positiv gezeichneten Protagonisten. So bleibt trotz aller Begeisterung für dieses wunderschöne Buch ein winziger Nachgeschmack zurück – der Sündenfall hat auch im Paradies Zamonien stattgefunden.

Horst Illmer

Walter Moers
RUMO & DIE WUNDER IM DUNKELN.
Ein Roman in zwei Büchern.
Illustriert vom Autor.
Piper Verlag GmbH
August 2004 – 704 Seiten – € 14,00
ISBN: 9783492241779

Stellt euch einen Schrank vor!
Ja, einen großen Schrank mit vielen Schubladen,
der alle Wunder und Geheimnisse Zamoniens enthält,
restlos alle, alphabetisch geordnet.
Ein Schrank, schwebend in absoluter Dunkelheit.
Könnt ihr euch das vorstellen?

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Late Show

von am 6. April 2020 Kommentare deaktiviert für Late Show

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Michael Connelly
Late Show
Renée Ballard – Ihr erster Fall
Aus dem amerikanischen Englisch von Sepp Leeb
(Late Show, 2017)
Kampa, Zürich 2020, 431 Seiten
ISBN 978-3-311-12503-7

Die „Bosch“-Romane von Veteran und Bestsellerautor Michael Connelly gehören zum Besten, was der US-Krimi zu bieten hat, und dasselbe gilt für die TV-Serie mit Titus Welliver in der Hauptrolle des Polizisten, den Connelly seit 1992 ermitteln lässt. Doch Connelly hat noch mehr Protagonisten geschaffen. Nach Bosch ist wohl der Anwalt Mickey Haller am bekanntesten, Boschs Halbbruder, den Matthew McConaughey in „Der Mandant“ spielte.

Im just von Kampa auf Deutsch veröffentlichen Roman „Late Show“ führt der 1956 geborene Connelly mit Renée Ballard nun eine neue Hauptfigur in sein Universum ein. Die junge hawaiianische Polizistin aus der Nachtschicht der Polizei von Los Angeles ist so unnachgiebig und unangepasst wie Bosch. Sie schläft wenig, und wenn, dann in einem Zelt am Strand, da sie momentan obdachlos ist. Ballard und Connelly haben im ersten Band beide immer einen Ball zu viel in der Luft, während es um die Jagd auf einen Mehrfachmörder sowie die Suche nach einem Gewalttäter geht, der eine Transgender-Prostituierte übel zugerichtet hat.

Trotzdem reichen Connelly-Routine und Bosch-Tugenden für ein überdurchschnittlich gutes, ebenso minutiöses wie spannendes Police Procedural. Noch nicht so stark wie Harry Bosch in Höchstform, doch man würde definitiv weitere Fälle von Detective Ballard lesen. Zumal im Original längst zwei Ballard/Bosch-Crossover erschienen sind.

Christian Endres

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Michael Connelly
Late Show
Renée Ballard – Ihr erster Fall
Aus dem amerikanischen Englisch von Sepp Leeb
(Late Show, 2017)
Kampa,

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Autonom

von am 5. April 2020 Kommentare deaktiviert für Autonom

Annalee Newitz
Autonom
Aus dem amerikanischen Englisch von Birgit Herden
(Autonomous, 2017)
Frankfurt, TOR Fischer, 2018, 350 Seiten
ISBN 978-3-596-70258-9

Autonome Roboter sind die größte Gefahr in einer Welt, in der Roboter nur dazu gedacht sind als eine Art Sklavenklasse gehalten zu werden.

Dabei verpackt die Autorin die autonomen Roboter in eine Welt, die durch Pharmahersteller geprägt ist, die den Profit an erste Stelle setzen und eine Gesellschaft, die im Umgang mit Robotern ihre schlechteste Seite zum Vorschein bringt.
Eine rebellische Untergrundbewegung versucht den Pharmaherstellern ein Bein zu stellen, indem Medikamente nachgebaut und den Menschen, die es sich ansonsten nicht leisten kann, zur Verfügung gestellt werden.

Als die Pharmapiratin Jack ein neues Medikament synthetisiert kommt es zu einer Tragödie. Bei der Beseitigung der angerichteten Katastrophe gerät Jack in die eine und andere Komplikationen und muss ihre Lebensweise und ihr vorurteilsbehaftetes Denken an vielen Stellen überdenken. Unter anderem ihren Umgang mit ihren Mitmenschen und ihrem Piratendasein.

Ihr auf den Fersen ist ein Agent, der sich in den Killerroboter verliebt, der mit ihm zusammen auf der Fahndung nach Jack ist. Diese Liebesgeschichte wird weder kitschig noch lächerlich dargestellt, sondern zwingt den Leser sein eigenes möglicherweise Weltbild zu hinterfragen.

Mit diesem Roman verknüpft die Autorin Fragen zur Maschinenethik, dem Patentgebaren der Pharmaindustrie und unserem Umgang mit künstlicher Intelligenz sowie einer deutlichen Kapitalismuskritik.
Gut zu lesen, weil es der Autorin gelingt, neue Perspektiven auf bekannte Themen eröffnet.

Annalee Newitz
Autonom
Aus dem amerikanischen Englisch von Birgit Herden
(Autonomous, 2017)
Frankfurt, TOR Fischer, 2018, 350 Seiten
ISBN 978-3-596-70258-9

Autonome Roboter sind die größte Gefahr in einer Welt, in der Roboter nur dazu gedacht sind als eine Art Sklavenklasse gehalten zu werden.

Dabei verpackt die Autorin die autonomen Roboter in eine Welt, die durch Pharmahersteller geprägt ist, die den Profit an erste Stelle setzen und eine Gesellschaft, die im Umgang mit Robotern ihre schlechteste Seite zum Vorschein bringt.

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Corpus Delicti

von am 4. April 2020 Kommentare deaktiviert für Corpus Delicti

Juli Zeh
Corpus Delicti. Ein Prozess.
btb Taschenbuch
August 2010 – 263 Seiten – € 7,99
ISBN: 9783442740666

„Von allen Seiten durchziehen Magnetbahn-Trassen in schnurgeraden Schneisen den Wald. Dort, wo sie sich treffen, irgendwo inmitten des reflektierenden Dächermeers, also mitten in der Stadt, mitten am Tag und in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts – dort beginnt unsere Geschichte“.

Deutschland, ein Hygienemärchen: Im Jahr 2050 gibt es keine Krankheiten mehr, die Umweltverschmutzung ist beseitigt. Elektroautos auf den Straßen und Luftschiffe am strahlendblauen Himmel, Solarzellen auf den Dächern und Warnschilder vor den letzten nicht ganz keimfreien Zonen (sprich vor der „freien Natur“ außerhalb der Städte) prägen das Erscheinungsbild. Gegenseitige Berührungen sind unerwünscht, Trinken und Rauchen gelten als kriminelle Handlungen, Fortpflanzung findet nur nach der staatlich festgeschriebenen DNA-Kompatibilitätsüberprüfung statt – das alles hat METHODE.
Die herrschende Staatsform, eben die METHODE, erweist sich bei näherer Betrachtung als Sozialstaatsdiktatur in Reinkultur. Zu ihrer Verteidigung steht der „Methodenschutz“ parat, dessen Eingreifen jedoch kaum noch nötig ist, da der Großteil der Bevölkerung sich offensichtlich mit der METHODE arrangiert hat.
Erst der „Fall Moritz Holl“ schlägt Wellen, die nicht nur die bis dahin gleichmütige Öffentliche Meinung bewegen, sondern auch mehr verborgenen Unrat an die Oberfläche spülen, als der Staatsmacht lieb sein kann. Mia Holl, Biologin und Schwester des wegen Mord und Vergewaltigung angeklagten Moritz, wandelt sich von der Mitläuferin zur Zweiflerin und schließlich zur Gegnerin des Systems.
Ihr Widerpart ist Heinrich Kramer, ein Vorzeigeintellektueller, dessen Forschungen, Veröffentlichungen und Medienauftritte die METHODE erst zu der überzeugenden und ohne Alternative dastehenden Gesellschaftsform machen, die sie für den Großteil von Mias Mitmenschen darstellt.
Da der Mensch jedoch auch in diesem System zuallererst Mensch (und damit unvollkommen) ist, gibt es natürlich auch Widerspruch und Widerstand – festgemacht an den unterschiedlichsten Gründen: dem Wunsch nach einer Zigarette, der Furcht vor staatlicher Dauerüberwachung, der Überzeugung, das man ein „Recht auf Krankheit“ habe, oder die Liebe zu einem „unpassenden“ Partner, mit dem man zusammenleben und Kinder haben will.

In ihrer gleichzeitig trefflich-knappen und eingängigen Prosa beschreibt Zeh die Entwicklung Mia Holls vom funktionierenden Rädchen im METHODEN-Getriebe zur Integrationsfigur des bis dahin unkoordinierten Widerstands gegen den übermächtigen Staatsapparat. Dabei wechselt Zeh, als scheinbar objektive Erzählerin, geschickt zwischen Gegenwarts- und Vergangenheitsform, um so das Gesamtbild sichtbar zu machen. Die Präzision ihrer Sprache verursacht beim Lesen ein fast körperliches Mitleiden und transportiert eine Materialfülle, die am Ende den Eindruck hinterlässt, man habe ein wesentlich umfangreicheres Werk in der Hand gehabt.

Was CORPUS DELICTI zu einem wirklich aufregenden und spannenden, mitreißenden und mitnehmenden, Angst einflößenden und doch auch Mut machenden Buch werden lässt, begründet sich vor allem in seiner Zugehörigkeit zu einer Literaturgattung, die in ihren besten Werken die Gesellschaft veränderten, die kulturell und politisch „wirksam“ waren: der Dystopie.
Zu diesen anti-utopischen, vor gefährlichen Entwicklungen warnenden Büchern gehören Romane wie 1984 (George Orwell) oder das sprichwörtlich gewordene SCHÖNE NEUE WELT (Aldous Huxley). Es ist Juli Zeh alle Achtung dafür zu zollen, dass sie sich mit CORPUS DELICTI in solch erlauchte Gesellschaft begeben hat, sich an diesen Büchern zu reiben wagt und sich an ihnen messen lassen will.
Viel zu wenig hatte die deutsche Literatur bisher in dieser Kategorie zu bieten!

Horst Illmer

Juli Zeh
Corpus Delicti. Ein Prozess.
btb Taschenbuch
August 2010 – 263 Seiten – € 7,99
ISBN: 9783442740666

„Von allen Seiten durchziehen Magnetbahn-Trassen in schnurgeraden Schneisen den Wald. Dort, wo sie sich treffen, irgendwo inmitten des reflektierenden Dächermeers, also mitten in der Stadt, mitten am Tag und in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts – dort beginnt unsere Geschichte“.

Deutschland, ein Hygienemärchen: Im Jahr 2050 gibt es keine Krankheiten mehr, die Umweltverschmutzung ist beseitigt.

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Die Straße

von am 3. April 2020 Kommentare deaktiviert für Die Straße

Cormac McCarthy
DIE STRASSE. Roman.
Deutsch von Nikolaus Stingl
(The Road / 2006)
Reinbek, Rowohlt, 2007, 253 S.
ISBN 9783499246005 12,00 Euro

In seiner amerikanischen Heimat wird Cormac McCarthy vor allem als realistischer Autor geschätzt, der sein Land, seine Mitmenschen, seine Gesellschaft sehr genau beobachtet und beschreibt. Vor allem seine knappen, nichtsdestoweniger glaubwürdigen Charakterdarstellungen und die in ihrer Art einmaligen Dialoge begeistern Leser und Kritiker immer wieder. Man könnte seine Prosa wohl am ehesten mit „dehydriert“ – ohne unnötige Ausschweifungen – umschreiben.
Und nun legt dieser Autor einen phantastischen Roman vor, ein postapokalyptisches Science-Fiction-Werk. Wie alle große Literatur steht auch DIE STRASSE über allen Genrebeschränkungen; der Autor nimmt sich, was er für die Darstellung seines Anliegens braucht aus der großen Kiste der weltliterarischen Formen – oder eben aus der Rumpelkammer der Zukunftsliteratur.
In DIE STRASSE, dies fällt von Beginn an auf, scheint niemals die Sonne. Immer ist der Himmel wolkenverhangen, mal fällt Schnee, mal Regen, mal ziehen Rauchwolken, mal Staubschleier durch das Blickfeld des namenlosen Vaters, der mit seinem Sohn durch ein fast menschenleeres, verheertes Nordamerika zieht. Ihr Ziel ist „der Süden“, weil es da vielleicht wärmer ist (denn in diesem Buch ist es auch durchgängig kalt, wobei McCarthy mindestens so viele Formen von „kalt“ kennt, wie die Inuit Namen für „Schnee“ haben), allerdings führen die von ihnen benutzten „Straßen“ vor allem nach Westen. Es ist das Meer, das Vater wie Sohn erreichen wollen, angetrieben durch die letzte, uneingestandene Sehnsucht, nach all dem Grau einmal noch etwas zu sehen, das Farbe hat – das „Blau“ einer unmöglichen Hoffnung.
Seit einiger Zeit werden weltweit verstärkt die Auswirkungen einer Klimakatastrophe thematisiert. Dabei scheint es relativ egal, ob es zur vom Treibhauseffekt bewirkten Überhitzung der Atmosphäre kommt, oder wie von manchen befürchtet, zum Nuklearwinter nach dem großflächigen Einsatz unserer Atomwaffen. Verlierer wird in jedem Fall die gesamte Bevölkerung sein. Die von den Wissenschaftlern vorgetragenen Thesen, die Zahlen, die Rechenbeispiele, die abstrakt dargestellten Bedrohungen – das alles führt zwar dazu, dass die Problematik rationell wahrgenommen wird, aber es lässt dem Individuum immer noch den Ausweg des Zweifels. Die Ungenauigkeit der Berechnungen, der Widerspruch einzelner Fachleute gegen die Theorien ihrer Kollegen, der undefinierbare Zeitpunkt der Katastrophe helfen uns dabei, die Augen zu verschließen und erst einmal weiterzumachen.
Diesen Ausweg lässt DIE STRASSE nicht zu. Bei McCarthy ist das (befürchtete und doch niemals geglaubte) Ereignis eingetreten, seine Auswirkungen haben Land und Leute verwandelt – und es ist eine schreckliche, unmenschliche Welt, die entstanden ist. In seiner ebenso faszinierenden wie erschreckenden Geschichte dieser Nachkatastrophenzeit wird der Mensch zur Kreatur, die kaum mehr in der Lage ist zu agieren, sondern instinktgesteuert reagieren muss, um ihr bejammernswertes Leben für einen weiteren Tag, eine weitere Stunde, zu „retten“.
Gnadenlos, ohne Rücksicht auf (falsche) Empfindlichkeiten, zeigt der Autor die Ergebnisse einer falschen Politik und erweist sich, gerade durch die Nutzung des Phantastischen, erneut als großer Realist.

Horst Illmer

Cormac McCarthy
DIE STRASSE. Roman.
Deutsch von Nikolaus Stingl
(The Road / 2006)
Reinbek, Rowohlt, 2007, 253 S.
ISBN 9783499246005 12,00 Euro

In seiner amerikanischen Heimat wird Cormac McCarthy vor allem als realistischer Autor geschätzt, der sein Land, seine Mitmenschen, seine Gesellschaft sehr genau beobachtet und beschreibt. Vor allem seine knappen, nichtsdestoweniger glaubwürdigen Charakterdarstellungen und die in ihrer Art einmaligen Dialoge begeistern Leser und Kritiker immer wieder. Man könnte seine Prosa wohl am ehesten mit „dehydriert“ – ohne unnötige Ausschweifungen – umschreiben.

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Rejoice – Die letzte Entscheidung

von am 1. April 2020 Kommentare deaktiviert für Rejoice – Die letzte Entscheidung

Steven Erikson
Rejoice – Die letzte Entscheidung
Aus dem englischen von Andreas Decker
(Rejoice, 2018)
München, Piper Verlag, 2019, 528 Seiten
ISBN 978-3-492-70558-5

Rezensionen interpretieren Romane immer in einem bestimmten Kontext. Diesen Roman von Erikson habe ich vor zwei Wochen gelesen und mir fest vorgenommen, das eine oder andere Wort darüber zu verlieren, da ich ihn kontextunabhängig als sehr stark empfunden habe.

Durch das Thema Parallelen hat sich mein Fokus, was mich an diesem Roman so gefesselt hat, etwas verschoben.

Zentrale Frage des Romans: „Wie wollen wir leben?“

Erikson ist in der Lage, siehe der Zyklus „Die Gärten des Mondes“, spannende Geschichten in komplexen Erzählsträngen zu verweben. Bei Rejoice packt er in den flüssig zu lesenden Band auch den einen oder anderen Erzählstrang. Das führt dazu, dass man gezwungen ist aufmerksam zu bleiben und die Seiten nicht als Lesefutter einfach und schnell weg zu lesen.

Die Auflösung der zentralen Frage ist schnell geklärt. Eine außerirdische künstliche Intelligenz entführt eine kanadische Science-Fiction Schriftstellerin, um mit ihr zu verhandeln, ob die Menschheit geeignet ist für den nächsten Schritt ihrer zvilisatorischen Entwicklung.
Parallel dazu verhindert diese Intelligenz die Ausübung von Gewalt, die Ausbeutung des Planeten und versorgt die unterentwickelten Weltregionen mit Informationen und Wissen.

Das Buch habe ich zur Hand genommen, weil mich das Thema künstliche Intelligenz in den letzten Jahren mehr und mehr zu interessieren begann, muss nach der Lektüre aber konstatieren, dass Erikson unserer Gesellschaft mit diesem Roman den Spiegel vorhält, wie wir miteinander umgehen, was wir dem Planeten antun und wohin unsere Gier nach immer mehr führt. Die künstliche Intelligenz greift in das menschliche Miteinander wie ein strenger, aber gutmütiger Erzieher ein und tritt ansonsten nicht weiter in Erscheinung.
Man könnte es als Kapitalismuskritik auffassen, man kann es als Kritik an der herrschenden Klasse lesen.
Eigentlich, und das ist die Stärke des Buchs, geht es darum, sich selbst zu fragen, wie man leben möchte und wie sich das auf den eigenen Umgang mit seiner Umwelt auswirken müsste.

Ein kurzweiliger, prägnant geschriebener Roman, der zum Nachdenken anregt und geradezu passend die aktuelle Situation aufnimmt.

Steven Erikson
Rejoice – Die letzte Entscheidung
Aus dem englischen von Andreas Decker
(Rejoice, 2018)
München, Piper Verlag, 2019, 528 Seiten
ISBN 978-3-492-70558-5

Rezensionen interpretieren Romane immer in einem bestimmten Kontext. Diesen Roman von Erikson habe ich vor zwei Wochen gelesen und mir fest vorgenommen, das eine oder andere Wort darüber zu verlieren, da ich ihn kontextunabhängig als sehr stark empfunden habe.

Durch das Thema Parallelen hat sich mein Fokus, was mich an diesem Roman so gefesselt hat,

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Parallel Lines – 2

von am 1. April 2020 1 Kommentar

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Der Inkontinenz-Unterwäsche“ (David Foster Wallace)

1921 / 1826 (The Who / Mary W. Shelley)

„Wir leben alle wie in einem kolossalen Roman“ behauptete Arno Schmidt 1972 in seinem lustspielhaft angelegten Science-Fiction-Opus DIE SCHULE DER ATHEISTEN – und wie meist ist ihm auch hier nur schwer zu widersprechen. Vor allem dann nicht, wenn man sich ein wenig in der speziell für unsere gegenwärtige Situation so unbestreitbar geeigneten Literatur des 19. Jahrhunderts umschaut.

Da fällt mir doch zuallererst das Werk der frühvollendeten Mary Wollstonecraft Shelley, geborene Godwin, ein, die nicht nur drei Männern in einem der bekanntesten literarischen Wettbewerbe die hohe Stirn bot, sondern mit zweien ihrer Romane zumindest in der englischsprachigen Literatur die Grundsteine für gleich zwei phantastische Genres legte: für die Science Fiction und die Post-Apokalypse.
Gemeint sind damit natürlich der allgemein bekannte Klassiker FRANKENSTEIN ODER DER MODERNE PROMETHEUS von 1818 (der erst 1912 eine erste deutsche Ausgabe erfuhr) und das weit weniger gewürdigte Buch THE LAST MAN, in dem Shelley 1826 über ein zukünftiges England schrieb, das von einer Pandemie heimgesucht und entvölkert wird (hier mussten deutschsprachige Leserinnen sogar bis 1982 warten, als im Bastei Lübbe Verlag dann mit VERNEY, DER LETZTE MENSCH eine erste, wenngleich noch gekürzte,
Übersetzung erschien, der 2016 eine ungekürzte Fassung unter dem Titel DER LETZTE MENSCH folgte).

Die bisher beste literarische Ausformung einer „Corona-Party“ stammt aus dem Jahr 1835. In der Erzählung „König Pest“ („King Pest“) zeigt uns der große amerikanische Dichter Edgar Allan Poe (oder wie er in Zamonien genannt wird: Perla La Gardeon) in einer zeitlos guten Geschichte, dass (Pest-)Plagen ein widerkehrendes Ereignis waren, sind und bleiben werden und wir jedes Mal aufs Neue in den Kampf ziehen müssen – und jedes Mal aufs Neue die Chance haben, den Sieg davonzutragen.
Durch ein stetes Steigern der Schrecken gelingt es Poe am Ende sogar seiner Todes-Allegorie eine sehr schwarze Komik zu verleihen. Sicher nicht Jedermanns Geschmack, aber ein Lehrstück in Sachen „Hoffnung“!

Eine komplett andere (und wesentlich entspanntere) Sichtweise auf die Welt im Allgemeinen und den Umgang mit Mikroorganismen im Besonderen hat H. G. Wells, der Engländer, der in seinen mehr als 150 Büchern praktisch jedes nur irgendwie denkbare Thema behandelte (ich glaube, Kochbücher hat er ausgelassen).
Wells, der seine Schriftstellerkarriere mit Artikeln und Kurzgeschichten für die Londoner Zeitungen und Magazine begann, nahm sich 1894 in „The Stolen Bacillus“ gleich mehrere, wohl auch damals schon virulente Themen vor: die Verbreitung von Seuchen, den Terrorismus durch Extremisten und den „Mad Scientist“, der gewollt oder ungewollt mit seiner Arbeit die Menschheit in Gefahr bringt. Allerdings entwickelt sich die Sache in „Der gestohlene Bazillus“ dann ganz anders als zuerst befürchtet. Der Versuch eines Anarchisten, einen Bazillus aus dem Labor eines Biologen zu stehlen, klappt zwar – und die sich anschließende Verfolgungsjagd mit mehreren Kutschen durch halb London hat Slapstick-Qualitäten – aber als der letztlich gestellte Überzeugungstäter den Inhalt des Reagenzglases trinkt, um als „lebende Bombe“ seine Mission einer Seuchenverbreitung doch noch zu erfüllen, stellt sich heraus, dass es sich um eine spezielle Züchtung des Bakteriologen handelt, die er zwar „Asiatische Cholera“ genannt hat, deren Wirkungen aber ganz andere sind als der martialische Name erwarten lässt …
Wer den Erfinder der ZEITMASCHINE, des UNSICHTBAREN und des KRIEGS DER WELTEN einmal ganz anders erleben will, der greife zu den MEISTERERZÄHLUNGEN (Diogenes) und lasse sich überraschen. Der frühe Wells (95 Prozent seiner Stories entstanden in den ersten zehn Jahren seiner Karriere) ist ideenreich, punktgenau, humorvoll und stilsicher. Ein Gegenprogramm zum allgemeinen Pessimismus.

Song: Alan Parsons Project – „A Dream Within a Dream“ (1976, vom Album TALES OF MYSTERY AND IMAGINATION)

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Der Inkontinenz-Unterwäsche“ (David Foster Wallace)

1921 / 1826 (The Who / Mary W. Shelley)

„Wir leben alle wie in einem kolossalen Roman“ behauptete Arno Schmidt 1972 in seinem lustspielhaft angelegten Science-Fiction-Opus DIE SCHULE DER ATHEISTEN – und wie meist ist ihm auch hier nur schwer zu widersprechen. Vor allem dann nicht, wenn man sich ein wenig in der speziell für unsere gegenwärtige Situation so unbestreitbar geeigneten Literatur des 19.

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Lesetipps vom Literaturpapst

von am 1. April 2020 1 Kommentar

In seiner Sendung vom 29. März 2020 präsentierte unser lieber Freund, der bekannte Literaturkritiker Denis Scheck diesmal nicht seine gleichermaßen geliebte wie gefürchtete „Bestseller-Liste“ (bei der sich außer den jeweils „Betroffenen“ immer alle über die Titel freuen, die Scheck „in die Tonne“ wirft), sondern eine sehr „persönliche Top Ten“ von Büchern, mit denen es gelingen sollte, in diesen Zeiten einen „kühlen Kopf“ zu bewahren.

Allerdings konnte Denis Scheck es sich nicht verkneifen, auch diesmal einige Autoren zu „dissen“ – Sebastian Fitzek, Susanne Fröhlich und Paulo Coelho wanderten über „die (Rolltisch-)Planke“.

Dann jedoch folgte, ernsthaft, kenntnisreich und auf sehr persönliche Weise kommentiert, eine Auswahl von zehn Werken der Weltliteratur, die zu lesen (oder auch wieder zu lesen) Scheck empfahl und die hier in der Reihenfolge ihrer Präsentation einmal aufgelistet sind:

 

Albert Camus
DIE PEST

Dorothy Parker
DENN MEIN HERZ IST FRISCH GEBROCHEN (Gedichte)
THE PORTABLE DOROTHY PARKER (Gesammelte Prosa, englisch)

Charles M. Schulz
DIE PEANUTS

Giovanni Boccaccio
DAS DECAMERONE

Kenneth Grahame
DER WIND IN DEN WEIDEN

Marcel Proust
AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT

Arno Schmidt
SCHWARZE SPIEGEL

Thomas Mann
DER TOD IN VENEDIG

Cormac McCarthy
DIE STRASSE

Marlen Haushofer
DIE WAND

Die Begründungen kann man sich in der ARD-Mediathek unter „Druckfrisch“ ansehen (ebenso natürlich den Rest der Sendung), die Bücher beim „Local Book Dealer“ bestellen.

Horst Illmer

In seiner Sendung vom 29. März 2020 präsentierte unser lieber Freund, der bekannte Literaturkritiker Denis Scheck diesmal nicht seine gleichermaßen geliebte wie gefürchtete „Bestseller-Liste“ (bei der sich außer den jeweils „Betroffenen“ immer alle über die Titel freuen, die Scheck „in die Tonne“ wirft), sondern eine sehr „persönliche Top Ten“ von Büchern, mit denen es gelingen sollte, in diesen Zeiten einen „kühlen Kopf“ zu bewahren.

Allerdings konnte Denis Scheck es sich nicht verkneifen, auch diesmal einige Autoren zu „dissen“ – Sebastian Fitzek,

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Parallel Lines – 1

von am 30. März 2020 1 Kommentar

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Der Leergekauften Hygienepapier-Regale“ (David Foster Wallace)

Overture (The Who / Neil Gaiman)

So, da müsst Ihr jetzt durch. In den nächsten – hier eine Zahl zwischen Null und Unendlich einsetzen – Tagen, Wochen, Monaten werde ich an dieser Stelle mehr regel- als unregelmäßig Texte veröffentlichen, deren Inhalt und Struktur, Qualität und Stil, Länge und Tiefe sich nach der jeweiligen Tagesform des Verfassers, nach seinen Vorlieben und Möglichkeiten und natürlich nach seiner (sprich: meiner) Lust und Laune richtet.

Schreiben werde ich über meine Leidenschaften – vor allem also über Rock-Musik und Sekundärliteratur, über Arno Schmidt und Arthur Rackham, über Graphic Novels und illustrierte Kinderbücher, über Science Fiction, Absolute Editions, Fantasy, signierte und limitierte Erstausgaben, wissenschaftliche Phantastik, Horror, Schauer-Romantik, Mainstream-Literatur, Bücher über Bücher, bildende Kunst, Hörbücher, Vinyl-Platten, Comic-Poster, Fotografie, etc., usw. – sucht euch was aus…

Ich sehe mich dabei (analog zum klassischen Schallplatten-Umdreher) in der Rolle eines Bücher-DJ, der während einer „Theme Time Radio Hour“ (Bob Dylan) auf alles Mögliche anspielt, Bücher vorstellt, thematische Zusammenhänge beleuchtet, Seltenes und Unbekanntes mit Offensichtlichem kreuzt – und ab und zu sogar einen Wunsch erfüllt.

Archiv: Horst Illmer

It’s a boy / It’s a girl (The Who / Frank Miller)

Eigentlich wollte ich mit Frank Millers GIVE ME LIBERTY die erste „Session“ eröffnen, aber der Meister hat natürlich Vorrang. Vor eineinhalb Tagen hat Bob Dylan den Siebzehn-Minuten-Song MURDER MOST FOUL veröffentlicht (1,3 Millionen Aufrufe in den ersten 24 Stunden) und kostenfrei ins Netz gestellt.

Dazu seine lakonischen Worte:
“Greetings to my fans and followers with gratitude for all your support and loyalty across the years. This is an unreleased song we recorded a while back that you might find interesting. Stay safe, stay observant and may God be with you. – Bob Dylan”

[17 Minuten Pause]

Spätestens jetzt sollte allen Kritikern klar geworden sein, warum dieser Mann den Literatur-Nobelpreis erhalten hat.

And now for something completely different (Monty Python): Junge, widerstandsfähige Menschen als „Gewinner“ einer von Seuchen heimgesuchten Welt – sowas dachte sich schon mal jemand aus und erschuf gemeinsam mit einem kongenialen Zeichner einen der besten Comics aller Zeiten.
Die Rede ist von GIVE ME LIBERTY, dem ersten Band der „Martha Washington“-Saga, die Frank Miller in Zusammenarbeit mit Dave Gibbons in den Jahren zwischen 1990 und 2007 in drei Romanen und einer handvoll Kurzgeschichten erzählte. GIVE ME LIBERTY, der erste Teil der Geschichte, beginnt mit der Geburt Marthas – und die Welt, in die sie ihre Schöpfer warfen, hatte riesige Probleme die seither nicht wirklich gelöst wurden: Rassismus, Ungleichbehandlung von Frauen, Umweltverschmutzung, Missachtung von Minderheiten, ein Gesundheitssystem, dass Krankheiten oftmals nur bei jenen behandelt, die dafür auch bezahlen können und ein politisches System, das mit jeder Krise ein wenig weiter nach „rechts“ rückt.
Obwohl der Amerikaner Frank Miller ja oftmals wie ein rabenschwarzer Pessimist schreibt, gelang es dem Engländer Dave Gibbons durch seine farbenfrohen Bilder (und vermutlich auch das eine oder andere „gute Wort“, dass er Miller zuflüsterte) den Handlungsbogen vom „Leben und Wirken der Martha Washington im 21. Jahrhundert“ am Ende mit MARTHA WASHINGTON SAVES THE WORLD einigermaßen versöhnlich ausklingen zu lassen.

Song: Curtis Mayfield – „Underground“ (1970, vom Album ROOTS)

Von Horst Illmer

Unsortierte Gedanken eines Literatur-DJs im „Jahr Der Leergekauften Hygienepapier-Regale“ (David Foster Wallace)

Overture (The Who / Neil Gaiman)

So, da müsst Ihr jetzt durch. In den nächsten – hier eine Zahl zwischen Null und Unendlich einsetzen – Tagen, Wochen, Monaten werde ich an dieser Stelle mehr regel- als unregelmäßig Texte veröffentlichen, deren Inhalt und Struktur, Qualität und Stil, Länge und Tiefe sich nach der jeweiligen Tagesform des Verfassers, nach seinen Vorlieben und Möglichkeiten und natürlich nach seiner (sprich: meiner) Lust und Laune richtet.

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Young God

von am 29. März 2020 1 Kommentar

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Katherine Faw
Young God
Aus dem Amerikanischen von Alf Mayer
(Young God, 2014)
Polar Verlag, Stuttgart 2020, 228 Seiten
ISBN 978-3-945133-95-8

Anfang 2020 startete der Stuttgarter Polar-Verlag, der ein wahres Paradies für Krimi-Liebhaber ist, neben seinem Hardcover-Programm eine neue Taschenbuch-Reihe, und gleich das erste dünne Büchlein hat es in sich.

In „Young God“ erzählt die 1983 geborene US-Autorin Katherine Faw von Nikki, einem heranwachsenden Mädchen in den Hügeln der Appalachen North Carolinas, wo Armut und Drogen den Alltag bestimmen. Nach dem Tod ihrer Mutter zieht Nikki in den Trailer ihres Vaters, eines Dealers und Zuhälters. Obwohl sie erst dreizehn Jahre alt ist, kommt Nikki gut in dieser rauen, zugedröhnten Welt zurecht und will schließlich selbst ein Stück vom Drogenkuchen.

Faw erzählt ihre radikale White-Trash-Milieustudie ohne Kompromisse. Beim Überarbeiten dampfte sie den Roman von 100.000 auf 20.000 Wörter ein, ließ sie nur noch das Nötigste für die Ausleuchtung der Szenen stehen. Manche Kapitel sind bloß zwei Seiten oder gar gerade mal anderthalb Zeilen lang – „Young God“ hat wirklich kein Gramm fett zu viel. Der Trick des Reduzierens funktioniert nicht immer, aber oft genug, um z. B. Larry Browns Kritiker-Darling „Fay“ über eine andere junge Opportunistin zu überholen.

Allerdings bleibt David Joys „Wo alle Lichter enden“, 2019 ebenfalls im Polar Verlag erschienen, das aktuelle Krimi-Meisterwerk über die Hinterwäldler der Appalachen, die Trump damals mit zum Wahlsieg verhalfen.

Christian Endres

Jede Bestellung zählt in diesen Zeiten, und daher kann man es gar nicht oft genug sagen: Ihr könnt in Hermkes Romanboutique nicht nur Comics oder Bücher aus den Genres Science-Fiction, Fantasy und Horror bestellen, sondern auch alle anderen Arten von Literatur. Daher gibt es nun immer mal einen Krimi-Buchtipp zur Inspiration.

Katherine Faw
Young God
Aus dem Amerikanischen von Alf Mayer
(Young God, 2014)
Polar Verlag, Stuttgart 2020, 228 Seiten
ISBN 978-3-945133-95-8

Anfang 2020 startete der Stuttgarter Polar-Verlag,

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Freiheit ist Sklaverei

von am 28. März 2020 Kommentare deaktiviert für Freiheit ist Sklaverei

Was ich bei den vier Aspekten, die Gerd genannt hat, vermisse, ist das Thema Information bzw. Wahrheit der Information oder wer welche Informationen besitzt. Als Anregung dazu ein paar Bücher, die sich unter anderem mit diesem Aspekt beschäftigen.

Angefangen mit dem Klassiker der Desinformation „1984“ von George Orwell, der die Sprache in seinem Roman dazu verwendet, das Denken zu manipulieren und damit die Menschen an den neuen, gewünschten Status quo zu gewöhnen. Wir erleben so etwas gerade in der einen oder anderen westlichen Demokratie. In Diktaturen ist das natürlich die Regeln, denn darauf fußt der Hintergrund in Orwells düstere Sicht auf die Welt.

Nicht das wir schon so weit wären. Was mir in der aktuellen Corona-Krise fehlt, sind die kritischen Stimmen, die das gewählte Vorgehen hinterfragen oder die vielfach vorhandenen verschiedenen Informationen sortieren und bewerten. Alleine mit Opfer- und Infiziertenzahlen zu hantieren, ohne einen historischen Bezug herzustellen führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Verwirrung.

Dies erinnert mich an den Roman von Marc Elsberg „Zero“, den es sich lohnt zu lesen. Auslöser ist nicht ein Fehler in einer technischen Anlage, sondern ein falsch interpretierter Anzeigewert dieser Maschine. Die falsch weiter gegebene Information führt in letzter Konsequenz zu einem europaweiten Shutdown.

An dieser Stelle möglicherweise ungewöhnlich über die Duologie von Leigh Bardugo zu sprechen. Für mich besteht ein wesentlicher Aspekt der Geschichte darin, dass Kaz Brekker, der Protagonist der beiden Bände, seinen Freunden und Gegnern immer einen Schritt voraus ist und damit seinen Plan durchziehen kann. Immer dann, wenn das nicht der Fall ist, beginnt Kaz zu zweifeln und benötigt einen Moment, um sich wieder zu fangen. In den Romanen sind das die Situationen, die beim Leser Spannung hervorrufen.
Parallelen sind in der aktuellen Situation angezeigt. Mit jeder Verschärfung der getroffenen Maßnahmen fast schon im Stundentakt, wird erst einmal Spannung erzeugt und erst nach und nach legt sich diese Verunsicherung wieder.

Andreas Eschbach spielt das Thema Information bzw. Informationsvorsprung oft in seinen Romanen durch. Beispielhaft in „Ein König für Deutschland“ und „NSA“. Im ersten Fall führt Insiderwissen zu einer maximalen Destabilisierung und im zweiten geht es um Informationen um jeden Preis und deren Interpretation.

Wieso ich das Thema aufgegriffen habe? Möglicherweise geht es nur mir so. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass lange noch nicht alle Informationen auf dem Tisch liegen, die Zahlen je nach Quelle stark schwanken (übrigens ein Problem einer mangelhaften Vorbereitung auf ein solches Szenario) und die Maßnahmen in jedem europäischen Land und jedem deutschen Bundesland zu einem anderen Zeitpunkt getroffen und irgendwie kommuniziert werden.

Das Schließen von Grenzen und das Abschotten, auch das zeigen uns andere Romane, verhindern nicht, das sich ein Virus, eine Seuche ausbreiten können. Informationen offen und bereitwillig geteilt sind eines der Heilmittel.

Selbst kritisch denken und Ruhe bewahren helfen, damit Freiheit nie Sklaverei wird.

Was ich bei den vier Aspekten, die Gerd genannt hat, vermisse, ist das Thema Information bzw. Wahrheit der Information oder wer welche Informationen besitzt. Als Anregung dazu ein paar Bücher, die sich unter anderem mit diesem Aspekt beschäftigen.

Angefangen mit dem Klassiker der Desinformation „1984“ von George Orwell, der die Sprache in seinem Roman dazu verwendet, das Denken zu manipulieren und damit die Menschen an den neuen, gewünschten Status quo zu gewöhnen. Wir erleben so etwas gerade in der einen oder anderen westlichen Demokratie.

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Ein König für Deutschland

von am 28. März 2020 Kommentare deaktiviert für Ein König für Deutschland

Andreas Eschbach
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND. Roman.
Bastei-Lübbe Taschenbücher
Juni 2011 – 491 Seiten – € 9,99
ISBN: 9783404160181

Haben Sie schon irgendwann einmal Erfahrungen mit einer Wahlmaschine (oder, wie es richtig heißen muss, einem „Wahlcomputer“) gemacht? Vermutlich nicht. Aber die Benutzung eines modernen Geld- oder Fahrkartenautomaten, bei dem Sie auf einem Bildschirm eine Auswahl angezeigt bekommen auf welche Sie mit dem Finger drücken müssen, vermittelt ein ziemlich gutes Bild davon, wie eine solche Apparatur funktioniert.
Andreas Eschbach ist ein Kind unserer Zeit, selbst Absolvent eines naturwissenschaftlichen Studiums, Inhaber einer eigenen Internet-Seite und natürlich Benutzer eines Computers, mit dem er seine Bücher schreibt – also sicherlich kein „Maschinenstürmer“.
Umso wirkungsvoller und einprägsamer ist es da, wenn er in seinem Roman EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND vor den Gefahren einer blinden Technikgläubigkeit warnt.
Der junge Vincent Merrit, US-Amerikaner mit einem deutschen Vater, ist ein genialer aber leichtgläubiger Programmierer, dessen Fähigkeiten von falschen Freunden ausgenutzt werden, was ihn leider immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt bringt. Nach einer abgesessenen Vorstrafe findet er nur noch bei einer zwielichtigen Softwareschmiede in Florida Arbeit. Dort entdeckt man schnell, welches Juwel man in ihm hat – und so bekommt er eines Tages den Auftrag, ein Programm zu schreiben, mit dem man die in den USA benutzten Wahlmaschinen manipulieren kann. Naiverweise glaubt Vincent den Beteuerungen, dass es sich nur um ein „Testprogramm“ handelt. Die Ereignisse um die Wahl von George W. Bush im Jahr 2000 machen ihn allerdings stutzig, da sie sehr genau dem von ihm entwickelten Szenario folgen.
Im Laufe der nächsten Jahre bekommt die Sache eine ungeahnte Eigendynamik und am Ende wird Vincent gezwungen, seine Fähigkeiten auf die mittlerweile auch in Deutschland eingesetzten Wahlcomputer zu konzentrieren.
Geschickt hat Eschbach bis zu diesem Moment Realität und Fiktion verbunden (inklusive einer ganzen Reihe von Fußnoten, mit denen er die historischen Tatsachen belegt), jetzt beginnt die eigentlich phantastische Handlung – deren innere Logik jedoch von einer solchen Kraft ist, dass man fast verwundert auf die letzten Wahlen zurückschaut und sich fragt, warum man dort die von Eschbach erfundene VWM (das ist die „Volksbewegung zur Wiedereinführung der Monarchie“) nicht auf seinem Stimmzettel vorgefunden hat.
In einem zweiten Handlungsstrang versuchen Simon König (der leibliche Vater von Vincent und ein engagierter Geschichtslehrer dazu) und eine Rollenspieler-Truppe mit der Vincent übers Internet Kontakt hatte, die Manipulation der Computer aufzudecken, indem sie an der Bundestagswahl teilnehmen. Da die erst vier Monate vor der Wahl gegründete VWM praktisch keine Werbung macht und ein eigentlich absurdes Wahlprogramm (Simon König soll König Simon I. von Deutschland werden) verfolgt, wäre sie normalerweise chancenlos. Eine von Vincent in seine Software eingebaute „Falltüre“ sorgt jedoch für ein sensationelles Ergebnis.
Aber wie das mit „ganz einfachen“ Plänen dann so ist, geht alles gründlich (und völlig anders als vermutet) schief – und Simon König steht auf einmal im Dom zu Aachen und wird vom Erzbischof nach uraltem Ritual gefragt: „Schwörst Du, dass Du als König Deine ganze Kraft dem Deutschen Volk widmen wirst, um seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden?“
Andreas Eschbach hat sich in EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND mit einem wichtigen politischen Thema beschäftigt, mit dem sich inzwischen sogar das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen musste. Anders als die trockene Politikberichterstattung in den seriösen Medien und die juristisch verklausulierten Gerichtsurteile liest sich sein Roman jedoch spannend und kurzweilig. Die Befürchtung (oder Hoffnung), das Thema habe sich mit der letzten Wahl und dem ablehnenden Urteil des höchsten deutschen Gerichts erledigt, trügt jedoch. Es gehört zu Eschbachs unbestreitbaren Verdiensten, in seinem Buch auf fesselnde und verständliche Weise nicht nur auf die Gefahren aufmerksam gemacht zu haben, die einem demokratischen Gemeinwesen durch die Verwendung einer solchen – grundsätzlich manipulierbaren – Technik drohen, sondern auch das Verständnis für die Abläufe innerhalb unseres Staates zu fördern. Eine faszinierendere Lektion in Gesellschaftskunde hat es wohl selten gegeben.
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND ist ein Buch, dessen Lektüre man eigentlich als Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts festschreiben sollte!

Horst Illmer

Andreas Eschbach
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND. Roman.
Bastei-Lübbe Taschenbücher
Juni 2011 – 491 Seiten – € 9,99
ISBN: 9783404160181

Haben Sie schon irgendwann einmal Erfahrungen mit einer Wahlmaschine (oder, wie es richtig heißen muss, einem „Wahlcomputer“) gemacht? Vermutlich nicht. Aber die Benutzung eines modernen Geld- oder Fahrkartenautomaten, bei dem Sie auf einem Bildschirm eine Auswahl angezeigt bekommen auf welche Sie mit dem Finger drücken müssen, vermittelt ein ziemlich gutes Bild davon, wie eine solche Apparatur funktioniert.

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Die Siliziuminsel

von am 27. März 2020 Kommentare deaktiviert für Die Siliziuminsel

Kurzes Vorwort von Gerd

Ich stecke diese Rezension mal in die Schublade "III Soziale und politische Science Fiction". Neben dem von mir ursprünglich hervorgehobenen Aspekt "Bedrohung der Freiheit"sind "Ängste vor gesellschaftlichen Umbrüchen" ein weiteres Thema, das in aktuellem Kontext gesehen werden kann. Unübersehbar sind die Ängste vor weitreichenden Folgen im Nachfeld der Corona Krise. Dabei steht natürlich in erster Linie die wirtschaftliche Stabilität im Fokus. Genauso interessant sind jedoch mögliche Auswirkungen auf einen möglichen Wandel zukünftiger Verteilung von Vermögen, Veränderungen in politischen Strukturen und potentiell sogar einem reellen Bruch sozialen Verhaltens. Ich hoffe als Optimist nur das Beste, kann mir aber eine Vielzahl potentieller Richtungen vorstellen.

Quifan Chen
Die Siliziuminsel
Aus dem chinesischen von Marc Hermann
(Huang chao, 2013)
München, Wilhelm Heyne Verlag, 2019, 478 Seiten
ISBN 978-3-453-31922-6

Die Siliziuminsel ist ein dystopischer Technologieroman, der aktuelle Trends aufgreift und diese in eine mögliche Zukunft weiterspinnt.

Ort des Geschehens ist eine dem chinesischen Festland vorgelagerte Insel, auf der sich die Menschen darauf spezialisiert haben, elektronischen Abfall jeder Art zur zerlegen, recyclen und als Rohstoffe wieder in Umlauf zu bringen.
Drei untereinander verfeindete Clans teilen sich die anfallenden Aufträge und beschäftigen billige Lohnsklaven, die in dem dabei entstehenden Müll vegetieren.

Als eines Tages ein amerikanischer Unternehmer auftaucht und als Investor versucht die menschenunwürdigen Bedingungen durch ein Recyclingzentrum zu beenden, kommt Bewegung in die verfestigten politischen Strukturen der Insel. Sein Übersetzer Kaizong Chen und Mimi, ein auf der Insel lebendes „Abfall-Mädchen“ spielen dabei die Hauptrollen.

Die mafiösen Strukturen der Insel, die Erkenntnis, dass die Menschen im Westen intelligente Prothesen benutzten, um besser zu werden, neben den vermeintlich ungebildeten Arbeitskräften, die unter einem Vorwand auf die Siliziuminsel verkauft werden, bilden den Kern einer packenden Geschichte am Grenzverlauf zwischen Mensch und Cyborg bzw. künstlicher Intelligenz.

Für mich ein Highlight, weil es dem Autor gelingt zwischen lapidarer Darstellung grausamer Behandlungen der Müllmenschen durch die Chefs der Clans und blumiger Beschreibung der wenigen schönen Augenblicke mühelos zu wechseln.
Zudem liebe ich gut geschriebene Dialoge. Der Roman ist allerdings nicht nur einfach Lesefutter, da die Erzählstränge ineinandergreifen und man leicht den Faden verlieren könnte.
Aber bei mir wirkt der Roman noch immer nach.

Hier hätte ich die Rezension im Normalfall beendet in der Hoffnung ausreichend Interesse für die Lektüre geweckt zu haben. Aus aktuellen Anlass noch eine kleine Schleife ohne allzu viel Inhalt zu verraten. Quifan Chen spielt in seinem Roman mit den Unsicherheiten und Angst, wenn es zu einem gesellschaftlichen Umbruch kommt.

Und abschließend kann ich mich dem Zitat von Cixin Liu „…ein Meisterwerk der Zukunftsliteratur…“ auf dem Cover nur anschließen.

Kurzes Vorwort von Gerd

Ich stecke diese Rezension mal in die Schublade "III Soziale und politische Science Fiction". Neben dem von mir ursprünglich hervorgehobenen Aspekt "Bedrohung der Freiheit"sind "Ängste vor gesellschaftlichen Umbrüchen" ein weiteres Thema, das in aktuellem Kontext gesehen werden kann. Unübersehbar sind die Ängste vor weitreichenden Folgen im Nachfeld der Corona Krise. Dabei steht natürlich in erster Linie die wirtschaftliche Stabilität im Fokus. Genauso interessant sind jedoch mögliche Auswirkungen auf einen möglichen Wandel zukünftiger Verteilung von Vermögen,

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Der galaktische Topfheiler

von am 25. März 2020 Kommentare deaktiviert für Der galaktische Topfheiler

Philip K. Dick
DER GALAKTISCHE TOPFHEILER. Roman.
Ü: Joachim Pente u. Alexander Martin
(Galactic Pot-Healer / 1969)
Frankfurt, S. Fischer, 2019, 176 S.
ISBN 9783596906970

Die Welt ist eine Metapher, wir wissen nur nicht mehr wofür.
Früher einmal, als wir alle noch Engel waren, wäre es uns vielleicht wieder eingefallen. Aber, meint Philip K. Dick, dann kam die Zeit in der wir nur noch zwischen zwei Übeln wählen konnten und zu Menschen wurden.
Cleveland, Planet Erde, im Jahr 2050: Überbevölkerung, Massenarbeitslosigkeit, allgemeine Verwahrlosung – und ein sozialistisch geprägter Weltstaat, der seine Bürger bis in intimste Lebensbereiche hinein bevormundet. Joe Fernwright geht es da vergleichsweise noch gut. Er hat immerhin einen Job als Topfheiler, auch wenn er seit Monaten vergeblich auf neue Aufträge wartet.
Zwischenzeitlich spielen er und eine Reihe ähnlich gelangweilter Freunde übers Internet Das Spiel. Dabei lassen sie (von Übersetzungscomputern) bekannte Buchtitel in eine möglichst fremde Sprache übersetzen und das Ergebnis dann nochmals zurück ins Englische. Mit dieser intellektuellen Herausforderung schlägt Joe die Zeit tot, bis er eines Tages ein verlockendes Angebot erhält. Allerdings ist die Summe derart hoch, dass sich sofort die Polizei einschaltet. Wie sich herausstellt, steckt der Glimmung, ein mächtiges außerirdisches Wesen, hinter der Sache. Er braucht Joe, beziehungsweise dessen Fähigkeiten, auf seinem Heimatplaneten, um bei einem gigantischen Ausgrabungsprojekt mitzuarbeiten.
Zögernd nimmt Joe den Auftrag an, denn obwohl er nur ein einfacher Handwerker ist, erkennt er instinktiv, dass mit diesem Angebot mehr als nur das Heilen einiger Scherben verbunden ist. Zusammen mit einer bunten Schar von Spezialisten aus der ganzen Galaxis trifft er auf Plowmans Planet ein …
An einer zentralen Stelle des Buches lässt Dick seinen Helden Joe die folgenden Sätze reflektieren: „Wie seltsam, dachte Joe. Ein chitingepanzerter Quasi-Arachnid und ein Zweiklapper mit Pseudopodien sitzen auf dem Planeten Plowman in einem Lastwagen und diskutieren über Goethes FAUST – und ich habe dieses Buch, das noch dazu von meiner Welt stammt, geschrieben von einem menschlichen Wesen, nie gelesen.“
Ergänzt wird diese für einen amerikanischen Science-Fiction-Roman sowieso schon erstaunliche Stelle, durch die Erkenntnis: „Ein Teil des Problems“, sagte der Quasi-Arachnid, „ergibt sich aus der Übersetzung.“
Das Buch beschreibt auf vielfältige Art und Weise die Problematik der Kommunikation mit anderen Lebewesen – mögen diese nun Androiden, Aliens, Götter oder geschiedene Ehefrauen sein. Dick gibt sich niemals der Hoffnung hin, eine Verständigung wäre möglich. Gleichwohl wendet er sich nicht ab, sondern erklärt, dass, trotz des voraussichtlichen Scheiterns, der Versuch immer wieder aufs Neue gemacht werden muss.
Es ist dieser mutige, trotzige Wille, der ungerechten Schöpfung doch einmal ein Schnippchen zu schlagen, der Dicks Figuren so liebenswert und seine Bücher so lesenswert macht. Das gilt für DER GALAKTISCHE TOPFHEILER in ganz besonderem Maße. Dieser Roman ist eine Metapher, die den verschütteten Engel in uns allen berührt.

Horst Illmer

Philip K. Dick
DER GALAKTISCHE TOPFHEILER. Roman.
Ü: Joachim Pente u. Alexander Martin
(Galactic Pot-Healer / 1969)
Frankfurt, S. Fischer, 2019, 176 S.
ISBN 9783596906970

Die Welt ist eine Metapher, wir wissen nur nicht mehr wofür.
Früher einmal, als wir alle noch Engel waren, wäre es uns vielleicht wieder eingefallen. Aber, meint Philip K. Dick, dann kam die Zeit in der wir nur noch zwischen zwei Übeln wählen konnten und zu Menschen wurden.

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Schöne Neue Welt

von am 24. März 2020 Kommentare deaktiviert für Schöne Neue Welt

Aldous Huxley
SCHÖNE NEUE WELT.
(Brave New World / 1932)
Übersetzung: Uda Strätling
Frankfurt, Fischer Taschenbuch Verlag,
2014 – 368 Seiten – € 11,00
ISBN: 9783596905737

Aldous Huxley zeigt uns in seinem Buch eine wirklich goldene Zukunft, ein echtes Utopia. Und wie nicht anders zu vermuten, ist es furchtbar.
Im siebten Jahrhundert „nach Ford“ gibt es keinerlei Probleme mehr für die Menschheit. Alle sind glücklich und konsumieren vor sich hin. Das Zeitalter der Normierung ist erreicht. Alles, was „anders“ ist, wird ausgerottet, vernichtet oder versteckt. Die Menschen werden im Labor gezeugt, manipuliert, zwischengelagert und geboren. Auf ihrem weiteren Lebensweg werden sie ununterbrochen mit Parolen manipuliert, die sie zu immer willfährigen Konsumenten und Staatsbürgern erziehen.
Nur in einigen wenigen Reservaten gibt es unzivilisierte Wilde; Überlebende einer Zeit, als der Mensch noch „natürlich“ (also unglücklich) lebte. Diese wenigen Individuen dienen als Abschreckung und zu Forschungszwecken.
Über allem thront die Weltaufsichtsbehörde, die „Fehler“ in ihrem Programm erkennt und ausmerzt. So werden beispielsweise kontinuierlich alle Forschungsarbeiten unterdrückt, die neue Entwicklungen aufzeigen oder technischen Fortschritt fördern würden. Denn in einem Idealstaat, bedeutet Fortschritt Änderung, und Änderung würde bedeuten, dass noch kein idealer Zustand herrscht. Für die Forscher selbst bedeutet dies normalerweise, dass man sie auf eine einsame Insel abschiebt und totschweigt.
Der oberste Weltaufsichtsrat ist sich seiner Sache so sicher, dass er einmal jedoch ein Experiment zulässt: Ein echter „Wilder“ wird aus einem Reservat in die „schöne, neue Welt“ gebracht. Nach einigen turbulenten Szenen, nachdem er kurzzeitig die Sensation des Jahres war, siegen Normung und Massenträgheit – die Welt kehrt zum Alltag zurück.
Von allen literarischen Dystopien ist BRAVE NEW WORLD wohl die, welche sich am intensivsten und wissenschaftlich fundiertesten mit der Zukunft von Biologie, Psychologie und Sexualität beschäftigt. Der familiäre und gesellschaftliche Hintergrund Huxleys schufen dafür optimale Voraussetzungen, sein persönlicher Mut und sein kraftvolles schriftstellerisches Talent kamen ergänzend hinzu, und so liegt hier ein Buch vor uns, dessen Prämissen vielfach schon Bestandteil unserer heutigen Kultur geworden sind.

Horst Illmer

Aldous Huxley
SCHÖNE NEUE WELT.
(Brave New World / 1932)
Übersetzung: Uda Strätling
Frankfurt, Fischer Taschenbuch Verlag,
2014 – 368 Seiten – € 11,00
ISBN: 9783596905737

Aldous Huxley zeigt uns in seinem Buch eine wirklich goldene Zukunft, ein echtes Utopia. Und wie nicht anders zu vermuten, ist es furchtbar.
Im siebten Jahrhundert „nach Ford“ gibt es keinerlei Probleme mehr für die Menschheit. Alle sind glücklich und konsumieren vor sich hin. Das Zeitalter der Normierung ist erreicht.

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Micro Science Fiction

von am 23. März 2020 Kommentare deaktiviert für Micro Science Fiction

O. Westin
MICRO SCIENCE FICTION
Aus dem Englischen von Birthe Mühlhoff
(Micro SFF)
Berlin, mikrotext, 2019, 189 Seiten
ISBN 978-3-944543-80-2, kartoniert

Relativ unscheinbar, fast im Reclam-Heft-Gewand, kommt MICRO SIENCE FICTION von O. Westin daher. Auf nicht einmal 200 Seiten sind darin fast 400 Science-Fiction-Geschichten zu lesen – da schüttelt man doch erst mal ungläubig den Kopf.
Aber die von einem englischen IT-Spezialisten geschriebenen und von Birthe Mühlhoff passgenau übersetzten Kürzest-Stories erscheinen bereits seit 2013 und sind gezielt für das Twitter-Format „konstruiert“, was nicht bedeutet, dass dabei nicht was richtig Tolles herausgekommen ist.
Da steht zum Beispiel mit dem Datum „20/09/2016 17:09:37“ auf Seite 130 folgende Geschichte:
„Der wandernde Mönch segnete jedes Kind mit einem Stich, um es vor Krankheiten zu bewahren.
Ein Zeitreisender, der Impfungen verteilte, bevor sich der Aberglaube durchsetzte.“

Oho! Da lässt sich sehr viel Gegenwartsbezug entdecken, schwarzer Humor und reinrassige Hard-SF. Ein echtes „Klo-Buch“, langsam und sorgfältig zu lesen und mit viel „darüber-sollte-ich-mal-nachdenken“-Potenzial.

Horst Illmer

PS
(Eigentlich sind es exakt 365 Geschichten, also eine für jeden Tag im Jahr, außer 2020, da ist das Jahr zu lang – daraus könnte man jetzt fast ein richtiges SF-Drama machen.)
hi

O. Westin
MICRO SCIENCE FICTION
Aus dem Englischen von Birthe Mühlhoff
(Micro SFF)
Berlin, mikrotext, 2019, 189 Seiten
ISBN 978-3-944543-80-2, kartoniert

Relativ unscheinbar, fast im Reclam-Heft-Gewand, kommt MICRO SIENCE FICTION von O. Westin daher. Auf nicht einmal 200 Seiten sind darin fast 400 Science-Fiction-Geschichten zu lesen – da schüttelt man doch erst mal ungläubig den Kopf.
Aber die von einem englischen IT-Spezialisten geschriebenen und von Birthe Mühlhoff passgenau übersetzten Kürzest-Stories erscheinen bereits seit 2013 und sind gezielt für das Twitter-Format „konstruiert“,

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Fuchs 8

von am 31. Januar 2020 1 Kommentar

George Saunders
FUCHS 8.
Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal
(FUCHS 8 / 2018)
Darmstadt, Luchterhand, 2019, unpaginiert
ISBN 978-3-630-87620-7

Das ist schon sehr, sehr clever: Nach dem riesigen, weltweiten Erfolg, den George Saunders 2017 mit seinem ersten Roman, dem anrührenden Totengespräch LINCOLN IM BARDO, hatte, durfte man sehr gespannt sein, was er als nächstes schreiben würde. Da Saunders offenbar ein kluger Kopf ist – und schreiben kann, wie derzeit kaum ein zweiter amerikanischer Autor –, hat er einen relativ kurzen Text verfasst (in der deutschen Übersetzung von Frank Heibert, inklusive der Illustrationen von Chelsea Cardinal, nicht mal 50 Seiten): die Tierfabel FUCHS 8.
Damit unterläuft er nicht nur alle an ihn gestellten Erwartungen, sondern zeigt erneut, dass seine größte Begabung nach wie vor die kurze Form ist. Nicht umsonst wird er seit zwanzig Jahren zu den besten Story-Autoren der Gegenwart gezählt.
Auch FUCHS 8 ist ein literarisches Juwel. Die vom kleinen Fuchs in Lautschrift erzählte Geschichte seines Lebens, wie er die Menschensprache erlernte, dadurch Liebe und Vertrauen in unsere Gattung entwickelte, von uns zutiefst enttäuscht wurde und trotzdem nicht verzagt – das ist Literatur auf Weltniveau.
Und weil ja irgendwie jede Zeit die Bücher hat, die sie verdient (oder braucht), kann man wohl sagen, dass FUCHS 8 so was wie DER KLEINE PRINZ fürs 21. Jahrhundert ist.
Eine beeindruckende Lektüre und ein wundervolles Geschenk für liebe Menschen (trotzdem!).

Horst Illmer

George Saunders
FUCHS 8.
Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal
(FUCHS 8 / 2018)
Darmstadt, Luchterhand, 2019, unpaginiert
ISBN 978-3-630-87620-7

Das ist schon sehr, sehr clever: Nach dem riesigen, weltweiten Erfolg, den George Saunders 2017 mit seinem ersten Roman, dem anrührenden Totengespräch LINCOLN IM BARDO, hatte, durfte man sehr gespannt sein, was er als nächstes schreiben würde. Da Saunders offenbar ein kluger Kopf ist – und schreiben kann,

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Absolute Swamp Thing by Alan Moore

von am 21. November 2019 Kommentare deaktiviert für Absolute Swamp Thing by Alan Moore

Alan Moore (Text)
Stephen R. Bissette & John Totleben & Rick Veitch (Bilder)
ABSOLUTE SWAMP THING BY ALAN MOORE. VOLUME ONE.
New York, DC, 2019, 450 Seiten
ISBN 978-1-4012-8493-0
Hardcover im Schuber

Nach einer Vielzahl unsäglich schlecht produzierter Nachdrucke ist das „Ding aus dem Sumpf“ endlich da, wo es hingehört: in DCs Vorzeige-Reihe der „Absolute Editions“.
Die im November 2019 erschienene erste Ausgabe von ABSOLUTE SWAMP THING BY ALAN MOORE übertrifft selbst hochgesteckte Erwartungen und zeigt erstmals in aller Deutlichkeit, welch außergewöhnliche Bilder die Zeichner Stephen R. Bissette, John Totleben und Rick Veitch aus den einzigartig-detaillierten Plot-Vorgaben Alan Moores zauberten.
Nachdem er sich in England bereits einen gewissen Ruhm erarbeitet hatte, wurde Moore 1983 von Len Wein (der „Swamp Thing“ 1971 gemeinsam mit Bernie Wrightson erschaffen hat) für DC angeworben, um die damals unpopuläre und schlecht laufende Serie „The Saga of the Swamp Thing“ mit neuem Leben zu erfüllen.
Mit Heft 20 übernahm Moore im Januar 1984 das Storytelling der zweiten Staffel und machte
gemeinsam mit Bissette, Totleben und Veitch aus „Swamp Thing“ eine Bestseller-Serie, die unter anderem auch mehrere Jack Kirby Awards gewann. Mit den 45 Ausgaben, die er zwischen 1984 und September 1987 textete, prägte Moore nicht nur die Figur des beseelten Pflanzenwesens völlig neu, er öffnete mit seinem erwachsenen und zugleich literarischen Erzählen auch für viele weitere britische Künstler wie Neil Gaiman oder Grant Morrison das Tor zum amerikanischen Markt.
Der nun vorliegende erste „Absolute“-Band von „Swamp Thing“ enthält auf 450 Hochglanz-Seiten im Riesenformat von 32 x 22 Zentimetern die Hefte 20 bis 34 der „Saga of the Swamp Thing“ plus die preisgekrönte, an Dantes „Inferno“ angelehnte Story „Down Among the Dead Men“, die 1985 als SWAMP THING ANNUAL #2 erschien. Auf den letzten 30 Seiten erzählt Stephen R. Bissette sehr ausführlich und mit vielen Bildbeispielen über die gemeinsame Arbeit mit seinen Kollegen in jenen für das Comic-Genre so wichtigen frühen 1980er Jahren.
Die restlichen Hefte werden zwei weitere ABSOLUTE SWAMP THING BY ALAN MOORE-Schuber füllen (die vermutlich 2020 und 2021 erscheinen werden), sodass der gesamte von Moore verantwortete Erzähl-Zyklus dann in der ihm gebührenden Qualität vorliegt.

Horst Illmer

Alan Moore (Text)
Stephen R. Bissette & John Totleben & Rick Veitch (Bilder)
ABSOLUTE SWAMP THING BY ALAN MOORE. VOLUME ONE.
New York, DC, 2019, 450 Seiten
ISBN 978-1-4012-8493-0
Hardcover im Schuber

Nach einer Vielzahl unsäglich schlecht produzierter Nachdrucke ist das „Ding aus dem Sumpf“ endlich da, wo es hingehört: in DCs Vorzeige-Reihe der „Absolute Editions“.
Die im November 2019 erschienene erste Ausgabe von ABSOLUTE SWAMP THING BY ALAN MOORE übertrifft selbst hochgesteckte Erwartungen und zeigt erstmals in aller Deutlichkeit,

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Das Ewigkeitsprojekt

von am 18. November 2019 Kommentare deaktiviert für Das Ewigkeitsprojekt

Caroline Hofstätter
DAS EWIGKEITSPROJEKT.
Stolberg, Atlantis, 2019, 167 S.
ISBN 978-3-86402-676-8

Rechtzeitig zu Halloween erschienen diverse Neuauflagen von Bram Stokers DRACULA, einem Buch, das wie kein zweites die „Gespenster“ der Vergangenheit wiederaufleben lässt und Gänsehaut bei seinen LeserInnen erzeugt.
Um die neuen „Gespenster“ des dritten Jahrtausends dreht sich Caroline Hofstätters Roman DAS EWIGKEITSPROJEKT, der soeben im Atlantis Verlag erschienen ist.
Als die Wissenschaftlerin Sarah Berger an einem friedlichen Frühlingsmorgen erwacht und das Bett neben ihr leer ist, befällt sie zuerst nur ein leises Unbehagen. So richtig unheimlich wird es allerdings, als sie auf dem Weg zur Arbeit entdeckt, dass sie offenbar allein in einer sehr still gewordenen Welt lebt …
Mit dieser Exposition beginnt Hofstätters Erstling, in dem es um Virtuelle Realitäten, echte Seuchen, klassische Beziehungsprobleme und die Abenteuer einer sehr starken Frauenfigur geht. Das Buch liest sich flüssig, der Stil wirkt leicht unterkühlt, die Handlung verläuft ohne überflüssige Schlenker, sodass nach 166 Seiten ein spannender Science-Fiction-Roman ein sauber kalkuliertes Ende findet.
Die Wiener Autorin, Jahrgang 1975, beweist mit DAS EWIG­KEITSPROJEKT, dass sie schon jetzt mehr ist als nur das „Riesentalent“, als das sie nach ihren ersten Kurzgeschichten bezeichnet wurde.

Horst Illmer

Caroline Hofstätter
DAS EWIGKEITSPROJEKT.
Stolberg, Atlantis, 2019, 167 S.
ISBN 978-3-86402-676-8

Rechtzeitig zu Halloween erschienen diverse Neuauflagen von Bram Stokers DRACULA, einem Buch, das wie kein zweites die „Gespenster“ der Vergangenheit wiederaufleben lässt und Gänsehaut bei seinen LeserInnen erzeugt.
Um die neuen „Gespenster“ des dritten Jahrtausends dreht sich Caroline Hofstätters Roman DAS EWIGKEITSPROJEKT, der soeben im Atlantis Verlag erschienen ist.
Als die Wissenschaftlerin Sarah Berger an einem friedlichen Frühlingsmorgen erwacht und das Bett neben ihr leer ist,

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Metro – Die Trilogie

von am 15. November 2019 Kommentare deaktiviert für Metro – Die Trilogie

Dmitry Glukhovsky
METRO – DIE TRILOGIE
Übersetzt von David Drevs, Karte von Andreas Hancock
(Metro 2033 & Metro 2034 & Metro 2035 / 2007 & 2009 & 2015)
München, Heyne, 2019, 1613 Seiten
ISBN 978-3-453-32062-8
Hardcover

Anno 2033, etwa zwanzig Jahre nach einem vernichtenden Atomkrieg, haben sich die letzten überlebenden Menschen in den unterirdischen Stationen der Moskauer Metro mehr schlecht als recht eingerichtet. Zersplittert in eine Vielzahl von kleinen Gruppen und Gemeinden, leben sie ohne Elektrizität überwiegend in Düsternis, betrachten ihren jeweiligen U-Bahnhof als „Heimat“ und fürchten sich vor fast allem: ihren Nachbarn, den Mutanten, den Ratten – und am Meisten vor den Schrecken der Oberfläche. Nur die „Stalker“ genannten Abenteurer wagen sich hin und wieder hinauf.
Der zu Beginn der Geschichte neunzehnjährige Artjom, der an einer der Außenstationen des Metro-Netzes aufwächst, entwickelt sich im Verlauf der drei Romane aufgrund seines Strebens nach Informationen – und seines russischen Dickkopfes – zu einem dieser Stalker (und darüber hinaus) und erlebt dabei viele spannende und außergewöhnliche Abenteuer.

Als Dmitry Glukhovsky 2007 seinen Erstlingsroman METRO 2033 veröffentlichte, ahnte er vermutlich nicht, welchen Hype er damit startete. Neben mehreren Computerspielen erschienen auch gut zwei Dutzend Romane anderer Autoren (überwiegend aus Russland, aber auch aus England und Italien), die in dieser „shared world“ angesiedelt sind, bzw. diese um weitere Handlungsorte erweitern (und teilweise auch bei Heyne vorliegen).
Glukhovsky selbst kehrte mit METRO 2034 (2009) und METRO 2035 (2015) noch zweimal in die Welt der Moskauer U-Bahn zurück.
Gemeinsam mit zwei Kurzgeschichten sind die drei Romane jetzt bei Heyne unter dem Titel METRO – DIE TRILOGIE als überformatiges Hardcover neu aufgelegt worden. Es ist ein gewichtiger „Ziegelstein“ geworden, mit mehr als 1600 Dünndruckseiten, einem Lesebändchen und Vorsätzen auf denen das Metro-Netz inklusive Legende in Farbe abgedruckt ist – und mit dem man sicherlich auch sehr gut Atombunker oder U-Bahn-Stationen bauen kann.

Horst Illmer

Dmitry Glukhovsky
METRO – DIE TRILOGIE
Übersetzt von David Drevs, Karte von Andreas Hancock
(Metro 2033 & Metro 2034 & Metro 2035 / 2007 & 2009 & 2015)
München, Heyne, 2019, 1613 Seiten
ISBN 978-3-453-32062-8
Hardcover

Anno 2033, etwa zwanzig Jahre nach einem vernichtenden Atomkrieg, haben sich die letzten überlebenden Menschen in den unterirdischen Stationen der Moskauer Metro mehr schlecht als recht eingerichtet. Zersplittert in eine Vielzahl von kleinen Gruppen und Gemeinden,

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